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Joris Steg
Foto (Ausschnitt): ©Privat

Welt am Wendepunkt

27. Februar 2025

Teil 3: Lokale Initiativen – Soziologe Joris Steg über Chancen und Risiken einer neuen Weltordnung

Kaum etwas wird so kontrovers diskutiert wie die Globalisierung. Während einige in ihr Vorteile wie wirtschaftliches Wachstum und kulturellen Austausch sehen, befürchten andere Umweltzerstörung und soziale Ungleichheit. 

In den letzten Jahrzehnten hat die Globalisierung tiefgreifende Veränderungen in der internationalen Politik und Wirtschaft bewirkt. Die einst dominante Vorherrschaft der USA gerät ins Wanken, während China und Indien wirtschaftlich aufsteigen und neue Handelsbündnisse wie BRICS entstehen. Historisch gab es immer wieder Phasen der Hegemonie einzelner Staaten: Großbritannien dominierte bis zum Ersten Weltkrieg, danach übernahmen die USA diese Rolle. Doch nun zeichnet sich eine multipolare Weltordnung ab, in der aufstrebende Mächte stärker mitbestimmen.

Neue Verhandlungsräume

Joris Steg sieht diese Entwicklung ambivalent. Der promovierte Soziologe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Soziologie der Politik an der Uni Wuppertal. Einerseits könnten neue Machtzentren bisher benachteiligten Ländern mehr Verhandlungsspielraum bieten, erklärt er, andererseits könnte der Machtverlust etablierter Staaten zu Konflikten führen, indem sie versuchen, ihre geopolitische Stellung zu behaupten. Russland habe bereits gezeigt, dass es bereit ist, dafür militärische Mittel einzusetzen.

Die USA haben unter Trump begonnen, sich aus multilateralen Strukturen wie dem Pariser Klimaabkommen oder der Weltgesundheitsorganisation zurückzuziehen. „Die USA setzen auf wirtschaftliche Protektionismus-Maßnahmen wie Zölle und Embargos, insbesondere gegen China“, erklärt Steg. Der globale Machtkampf verlagere sich zunehmend auf wirtschaftliche und technologische Felder.

Gespaltene EU

Die BRICS-Staaten entwickeln sich zu einem Gegengewicht zur westlichen Dominanz und fordern eine gerechtere Verteilung von Macht und Ressourcen. Gleichzeitig verliert die EU an Einfluss. 

Wirtschaftliche Stagnation und demografische Veränderungen schwächen ihre globale Position. Zudem bleibt die EU sicherheitspolitisch von der Nato und den USA abhängig. Steg erklärt: „Die EU ist in vielen Fragen gespalten – sei es in der Wirtschafts- oder Außenpolitik. Dies führt dazu, dass sie auf globaler Ebene weniger Einfluss hat als noch vor einigen Jahrzehnten.“

Ein weiteres Dilemma ist das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und ökologischen Folgen. „Wirtschaftswachstum geht oft zu Lasten des Klimas“, betont Steg. Selbst Industriestaaten wie die USA oder Deutschland priorisieren in erster Linie wirtschaftliche Interessen. Lösungsansätze wie erneuerbare Energien oder nachhaltige Landwirtschaft könnten diese Entwicklung abmildern.

Neue Krisen 

Mit der Machtverschiebung entstehen neue Krisen. Der Taiwan-Konflikt könnte zu einem globalen Krisenherd werden. Auch Migration infolge des Klimawandels und der Rohstoffknappheit birgt erhebliches Konfliktpotenzial. Zudem gewinnt der Kampf um technologische Vorherrschaft – insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz und Datenkontrolle.

Einfache Lösungen gebe es nicht, so Steg: „Wichtig ist aber, diplomatische Mechanismen zu stärken, den Klimawandel zu bekämpfen und sowohl globale als auch innergesellschaftliche Ungleichheiten abzubauen, um eine gerechtere Weltordnung zu schaffen.“

Die Welt steht an einem Wendepunkt. Alte Machtstrukturen geraten ins Wanken – neue sind noch nicht gefestigt. Ob die Zukunft multipolar oder erneut blockbasiert sein wird, ist ungewiss. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die internationale Gemeinschaft diese Chancen nutzen wird.

Elvira Wrosch

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