Debil grinsend wie ein kleiner beglückter Junge sitze ich neulich nach Monaten pandemiebedingter Enthaltsamkeit erstmals wieder im Kinosaal. Das Licht geht aus, und die Leinwand erstrahlt. Gänsehaut. Ein Glücksmoment. Kino macht glücklich! Das wissen alle, die in den letzten Wochen ein Ticket gelöst haben. Da ist es wieder, das Gefühl, in jener gepolsterten Raum-Zeit-Maschine zu sitzen, die einen in einen anderen Moment entführt, zu einem anderen Ort, in ein alternatives Universum – oder direkt ins Hier und Jetzt. In den Sommer 85, nach Nebenan oder ins Nomadland, zu Godzilla, Peter Hase und Black Widow. In weite Ferne. Zu den eigenen Wurzeln.
Im Juli freuten sich die Multiplexe mit massenkompatibler Unterhaltung trotz EM über viele Hunderttausende Besucher bundesweit und dem besten Box-Office-Ergebnis seit 70 (!) Wochen. Und das aktuelle Marvel-Abenteuer schafft es ganz nach oben in die Kinocharts, obwohl es sich die Premiere mit dem Streaming-Anbieter teilt. Die Programmkinos indes wussten die Plätze mit hochkarätigen Arthousefilmen zu füllen, die kürzlich mit Oscars und Goldenen Löwen ausgezeichnet wurden. Ein Kölner Lichtspielhaus pausiert noch, alle anderen haben ihre Tore wieder geöffnet. Und noch besser: Das Filmhaus Köln steht kurz vor seiner Wiedereröffnung! Open-Air-Kinos und Kölner Kino Nächte begleiten den Aufbruch. Good News!
Eine Aufbruchsstimmung, die Filmproduktion, Verleih, Kino und Zuschauer gleichermaßen erfüllt. Wir sind alle hungrig! Und dann folgt der ersten Filmflut die Flut der Flüsse. Die globalen Krisen sind und bleiben so dramatisch wie vielfältig in diesem jungen Jahrhundert, bedrohen die Menschen und sind menschengemacht. Auch das Kino hat Jahrzehnte davor gewarnt und versinnbildlicht zugleich, wie konsequent der Mensch wegzugucken vermag beim Hingucken. Mehr als Mahner aber ist die Leinwand ein Ort, an dem wir Trost finden, Zuversicht und Ablenkung. Ein Ort, an dem wir woanders sind. Jemand anderes sind. Ein vorübergehender Escape Room vor den Ängsten in der Welt da draußen, ein temporäres Pflaster für die Seele. Andererseits: Warum den Eskapismus im Kino suchen, wenn die Realitätsflucht mittlerweile am besten in der Realität selbst gelingt, wo man per Mausklick jederzeit seine maßgeschneiderte Wirklichkeit geliefert bekommt. Das Kino dagegen offeriert Flucht-Angebote nur wohldosiert, als 90-Minuten-Dragee mit therapeutischem Wert. Und überhaupt ist die Realitätsflucht auf der Leinwand nur eine scheinbare: Vor allem finden wir im Kino doch uns selbst. Zu uns selbst. Denn dort, wo wir Menschen, Menschliches, Vermenschlichtes und Unmenschliches erleben, finden wir uns wieder.
Viel Spaß bei der Selbstfindung im August! Sei es in der Heimat („Home“), im „Atem des Meeres“ oder zwischen Nullen und Einsen in „Alles ist eins. Außer die 0“. Ob „Abseits des Lebens“, auf Läuterungsreise zum „Green Knight“ oder beim Chillen zum „Jazz an einem Sommerabend“: Wann immer Sie den Kinosaal wieder verlassen: „Die Welt wird eine andere sein“ danach. Endlich wieder.
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