Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Was, wenn Protest nicht genügt?
Foto: Rob Z / Adobe Stock

Vom Protest zum Widerstand

24. November 2021

Andreas Malms Widerstands- und Sabotagekonzeption hat erschreckende Leerstellen – Teil 2: Leitartikel

Die Welt ist aus den Fugen und wir mittendrin: Gletscher ziehen sich zurück, die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre ist so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht. Das Bild, das der jüngste, Anfang August veröffentlichte Bericht vom sogenannten Weltklimarat (IPCC) zeichnet, ist düster: Ohne drastische Reduktion des Ausstoßes von CO2 und anderen Treibhausgasen wird im 21. Jahrhundert die globale Erwärmung 1,5 und auch zwei Grad Celsius übersteigen. Die einzigen Szenarien, die die globale Erwärmung noch auf unter zwei Grad Celsius beschränken, sehen für die zweite Hälfte des Jahrhunderts das Entziehen von Treibhausgasen aus der Atmosphäre im großen Stil vor. Eine solche Technologie ist bislang aber weder vorhanden noch bekannt. Seit Jahrzehnten aber wissen wir sicher, dass Emissionen nur reduziert werden, wenn das Verbrennen von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas eingestellt, die Entwaldung gestoppt, die Zementproduktion reduziert und umgestellt werden. Passiert ist hingegen nichts.

Grenzen des friedlichen Protests

Für die Klimabewegung, die diese Entwicklung seit Jahrzehnten mit friedlichen Protesten „begleitet“, ist spätestens nach dem IPCC-Bericht die Zeit reif, Rechenschaft über die Grenzen ihrer Taktik des friedlichen Massenprotests abzulegen. Denn die weiterhin wesentlich höheren Investitionen in fossile statt regenerative Energieproduktion durch Finanzinstitutionen und Konzerne,sowie die Folgen des Klimawandels, erlauben der Klimabewegung kein „Weiter so“. Wirtschaft und Staat haben in den letzten mindestens 40 Jahren mehr als deutlich gemacht,dass sie Argumente, Studien, Proteste aber auch die Opfer des menschlich verursachten Klimawandels weniger interessieren, als der Profit.

Für den schwedischen Humanökologen, Autor und Journalisten Andreas Malm haben pazifistische Protestformen von daher ausgedient. In seinem durchaus lesenswerten Buch, „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen“, das im vergangenen Herbst erschienen ist, zieht Malm die Schlussfolgerung, dass der Kampf gegen das „fossile Kapital“ vom Protest zum Widerstand weiterzuentwickeln ist: „Beschädigt und zerstört neue CO2-emittierende Vorrichtungen! Lasst die Kapitalist*innen, die weiterhin ihr Geld ins Feuer werfen, wissen, dass ihr deren Eigentum in Schutt und Asche legen werdet.“ Die politische Logik hinter diesem martialisch anmutenden Schlachtruf ist simpel: Nur wenn der Einsatz im Konflikt durch einen „radikalen“ Flügel und dessen Aktionen erhöht wird, ist die Gegenseite überhaupt zu Gesprächen mit den „Gemäßigten“ und zu echten Zugeständnissen bereit.

Ökologischer Klassenkampf

Doch Malms Widerstandskonzeption enthält erschreckende Leerstellen. Zum einen lässt der bekennende Sozialist den Leser darüber im Unklaren, ob Sabotage und Massenproteste ausreichen, um die Zerstörung des Weltklimas zu beenden, oder ob ein antikapitalistischer Bruch, ein anderes Wirtschaftssystem notwendig wäre. Zum anderen geht Malm nicht auf die Rolle ein, die die Arbeiter und Arbeiterinnen in den fossilen Industrien spielen sollen. Sie besäßen durch Streiks, Besetzungen und Sabotage die Möglichkeit, Infrastruktur nicht nur lahmzulegen, sondern sie in den Dienst einer ressourcenschonenden Energieversorgung zu stellen. Malm selbst erwähnt kurz die Heldentat der Belegschaft eines Bauunternehmens, die sich weigerte, sich an der Abholzung des Hambacher Forstes zum Braunkohleabbau zu beteiligen. Solche Formen des ökologischen Klassenkampfs nehmen weltweit zu. Sie könnten der Schlüssel zur überfälligen Beendigung des fossilen Zeitalters sein


VERLORENE JUGEND - Aktiv im Thema

generationenstiftung.com | Allianz von Jung und Alt für generationengerechte Politik.
bgekoeln.de | Gemeinnützige Organisation, die mit Aktionen für ein bedingungsloses Grundeinkommen wirbt.
jugend-waehlt.de | Die Bundesinitiative fordert die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de

Bernhard Krebs

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Homöopathisch verjüngt
Intro – Verlorene Jugend

No Future?
Die Jugend auf der Suche nach politischem Gehör – Teil 1: Leitartikel

„Weniger erpressbar und damit mutiger“
Autor Ronald Blaschke über ein bedingungsloses Grundeinkommen – Teil 1: Interview

Wenn die Jugend wählen dürfte
Der Kölner Jugendring vertritt politische Interessen junger Menschen – Teil 1: Lokale Initiativen

„Die gesamte Wissenschaft wäre linksextrem“
Nora Schareika von Extinction Rebellion über eine Radikalisierung der Klimabewegung – Teil 2: Interview

Radikal gegen die Trägheit
Die Bochumer Ortsgruppen von Extinction Rebellion und Ende Gelände über Klimaaktivismus – Teil 2: Lokale Initiativen

Lösung statt Lähmung
Sich um die Zukunft zu sorgen, heißt, sie selbst in die Hand zu nehmen – Teil 3: Leitartikel

„Eine Aussperr- und Verbotspolitik“
Der Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf über Widersprüche im Naturschutz – Teil 3: Interview

Nachhaltig glücklich
Die Station Natur und Umwelt in Wuppertal setzt für Klimaschutz auf positive Erlebnisse – Teil 3: Lokale Initiativen

Recycling statt verbrannter Erde
„Zero Waste Italien“ sagt dem Müll den Kampf an – Europa-Vorbild: Italien

Geliehene Jugend
Meine WG, meine drei Nebenjobs, mein Gebrauchtfahrrad – Glosse

Leitartikel

Hier erscheint die Aufforderung!