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Stefan Diez, Stühle „Leo“, e15, 2010
© Stefan Diez Office, München

Umso einfacher

23. Februar 2017

Stefan Diez im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 03/17

Der Blick von Stefan Diez ist prüfend. Wirkt vielleicht sogar etwas neugierig. Die Baseball-Kappe konzentriert das Sichtfeld. Im MAKK schaut Diez auf eineinhalb Jahrzehnte hochtouriger Tätigkeit mit seinem Münchner Büro zurück – und so umfassend sieht auch er seine Designobjekte, die Prototypen, Zustände und serientauglichen Endprodukte eben nicht alle Tage. Sie sind hier als einzelne Projekte jeweils für sich, teils begleitet von Fotografien, in Zellen zu separaten Stationen zusammengefasst oder auf Konsolen nebeneinander gereiht. Und sie türmen sich in einer monumentalen Regalkonstruktion, die am Treppenhaus ausgerichtet ist, von der großen Ausstellungshalle bis ins Obergeschoss auf. Die erste retrospektive, dabei nicht chronologisch angelegte Ausstellung des 1971 geborenen Münchner Designers Stefan Diez umfasst als pragmatische Inszenierung, die über den reinen Parcours hinausgeht, das gesamte Haus. Sie beginnt gleich hinter dem Eingang im Museum für Angewandte Kunst.

Die Führung mit Stefan Diez durch seine Ausstellung verdeutlicht vor allem, wie sehr Design mit der praktischen Machbarkeit zu tun hat: der technischen und der finanziellen. Und dass der Schritt in die industrielle Produktion nicht von Aspekten des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit zu trennen sein sollte. Dazu gehört die Recherche und Entscheidung, wo die Objekte selbst – oder einzelne Teile von ihnen – produziert werden können, und das kann bis nach Fernost reichen. Und dann spricht Stefan Diez noch zwei weitere Aspekte an, die das Design selbst mitbestimmen: den Umgang mit Problemstellen, die zum Verschleiß des Produktes führen, und das Unhandliche oder den menschlichen Körper Belastende, zu dem Gebrauchsgegenstände mitunter neigen und die Diez in der größtmöglichen technischen Einfachheit lösen möchte. Die Forschung wird aufwändiger Teil, aber auch zusätzlicher Reiz der Produktion. Fast könnte man sagen, die (kreative) Handschrift liegt dann vor, wenn man sie nicht sieht, zumal Vorgaben der auftraggebenden Hersteller hinzukommen, ob sie bei Diez nun Thonet oder Wilkhahn heißen. Es ist also ein Verdienst dieser Ausstellung, dass sie die Leistung des Designers und die Weite seines Tätigkeitsfeldes in den Vordergrund rückt.

Das Repertoire des Büros von Stefan Diez ist enorm. Es umfasst Mobiliar (besonders Stühle), Leuchten, Geschirr, Haushaltsgeräte und Accessoires wie etwa Koffer, sämtlich in großer Variabilitätsbreite, die mit den Zielgruppen, Auftraggebern und dem Budget zu tun hat. Zu den innovativen Überlegungen seines Teams gehören die Konstruktion der Federgelenke von Stühlen und das Verbergen der Haltestruktur eines Sofas als eigener Bauteil und die Möglichkeit, Büromöbel zu stapeln.

Die (vielleicht zu) opulente Ausstellung stellt nun 25 Projekte vor, die eine Schlüsselrolle im Werk von Stefan Diez einnehmen und teils mit Preisen ausgezeichnet wurden. Hier nun veranschaulichen sie das technische und ästhetische Spektrum und den Grad möglicher Optimierungen als langwierigen, teils über Jahre dauernden Prozess. Dazu gehören auch gescheiterte Produkte und vermeintliche Irrwege, die immerhin doch zu neuen Erkenntnissen führen.

Dies trifft auch – ausgestellt im Obergeschoss – auf die Konzeption eines Thermomixers zu, an dem das Büro von Diez eineinhalb Jahre gearbeitet hat, ehe das Projekt von der Herstellerfirma auf der Grundlage von Straßenbefragungen eingestellt wurde, wie Diez berichtet („Marktforschung ist Horror“). Zu den außergewöhnlichen Erfolgen gehört hingegen das Tischservice aus dünnwandigem japanischem Porzellan, das im Zwischengeschoss präsentiert wird. Eine Herausforderung war für die Designer, dass beim Ausgießen nicht der Deckel von der Kanne kippt. Dazu wurde er im Gefäß versenkt. Und dann langt Diez selbst nach der Kanne und macht die Probe aufs Exempel: Alle drei Versuche klappen, der Deckel „hält“. „Das macht mir total viel Spaß, damit könnte ich mich zwei Jahre beschäftigen“, sagt er. So viel handwerkliches Tüfteln steckt doch im Produktdesign.

„FULL HOUSE: Design by Stefan Diez“ | bis 11.6. | Museum für Angewandte Kunst | 0221 22 12 38 60

THOMAS HIRSCH

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