Ach, das Surfen im Internet ist eine Wohltat. Nirgends ist die Informationsdichte größer als dort. Selbst über Themen, die einen gar nicht interessieren, wird man informiert, en passant und ohne die Möglichkeit, das zu verhindern. Zu schnell sind die Popups und zu groß die Schlagzeilen. Das fängt mit den schlimmsten Flughäfen der Welt an und hört mit der Scheinschwangerschaft von Prinzessin Kate nicht auf. Wer liest das bloß alles?
Irgendwann hat man aber auch Glück. Beim Streifzug durch die Schlagzeilen des Reviers fand ich: Die UFOs von Mülheim. Irgendwann im vergangenen Sommer hat ein Bürger dort drei rot leuchtende Objekte am Himmel gesehen, die lautlos in perfekter Dreiecksformation flogen. Wetterballons? Fliegende Untertassen. Eine mir unbekannte „Gesellschaft zur Erforschung des UFO-Phänomens (GEP) e.V." aus Lüdenscheid hatte die Lösung parat: Das dynamische Verhalten der Flugkörper lasse erkennen, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um so genannte Himmelslaternen bzw. um Party-Modell-Heißluftballons gehandelt habe, schrieben sie.
Also nur eine der völlig normalen Wahrnehmungsstörungen, die wir alle kennen? Ich habe beim übermüdeten Fahren auf der Autobahn schon Brücken gesehen, die es gar nicht gab, und als Clou: Am 24.7.2000 ein richtiges Ufo am sternenklaren südlichen Himmel. Stocknüchtern und bei vollem Bewusstsein wohlgemerkt. Eine Wahrnehmungsstörung ist eine Störung in der Verarbeitung von Sinneseindrücken im Zentralnervensystem. Sie liegen dann vor, wenn das verlässlichste Umweltorientierungssystem, die Verbindung der Sinnessysteme untereinander oder die geordnete Abfolge von Sinnesreizen betroffen sind. Genau. Die einfachste Wahrnehmungsstörung erkennen schon die Kinder, wenn sie Omas Brille aufsetzen, die teuersten stammen sicher von raren Highland-Whiskey-Sorten. Logo.
Aber ich darf ja hier nur Magenbitter und freue mich über die schönste Fata Morgana überhaupt: Drei köstliche Meldungen aus der Region, die eine Kausalität besitzen: Es fängt an mit den Arbeitslosenzahlen, hier war das Ruhrgebiet im März das Schlusslicht der NRW-Regionen, mit der ungünstigsten Arbeitsmarktlage. Klar Opel geht weg, Nokia ist es schon längst, die Insolvenzen steigen, Uli Hoeneß bald im Knast. Aber nichtsdestotrotz soll die Metropole Ruhr Modell für Europa sein. Für Einbürgerungen und durch die Verknüpfung von Bildung, sozialer Betreuung und Arbeit in den Stadtquartieren. Ist klar. Hier wurden Reize augenscheinlich verarmt über afferente Nerven zum Gehirn geleitet und dort logischerweise falsch interpretiert, aber für manche war das sicher eine nette Reise nach Brüssel, und natürlich geht es wie immer um Kohle, diesmal vom Europäischen Sozialfond (ESF) und um die Förderperiode 2014-2020.
In diesem Zeitraum stehen für NRW nämlich mehr als 600 Millionen Euro zur Verfügung. Das dennoch nicht alle an die Marke „Metropole" glauben, wird aus der dritten Meldung klar: Die Zahl der Einbürgerungen ist nämlich zurückgegangen: 2013 erhielten 9.249 Menschen im Ruhrgebiet die deutsche Staatsangehörigkeit. Wie das Statistische Landesamt IT.NRW mitteilt, waren das gut 700 weniger als im Jahr zuvor. Komisch. Ich leide wohl an Wahrnehmungsstörungen.
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