Ein Mann wird Tradition. Die dritte Spielzeit adelt den französischen Dirigenten François-Xavier Roth auf rheinische Art. Als Generalmusikdirektor der Stadt Köln und als Gürzenich-Kapellmeister, so die historische wie aktuelle Stellenbeschreibung der Chef-Position im ältesten sinfonischen Klangkörper der Domstadt, dem Gürzenich-Orchester Köln, konnte Monsieur Roth viele Fans und Freunde gewinnen. Im Hohen Dom hat François-Xavier gemeinsam mit seinem Vater musiziert, dem berühmten Organisten Daniel Roth – eine familiäre Geste, die von den Bürgern geschätzt wird. In diesem Sommer wurde er - wie sein Vater bereits vor Jahren - zum „Chevalier de la Légion d´Honneur“ ernannt, ein Ritter der französischen Ehrenlegion. Ein Blick auf das nebenstehende Portrait des Dirigenten fordert Fragen ein: Sieht so ein Ritter aus? Ein Maestro? Die Antwort lautet: In jedem Falle!
Ritterlich sind die Ansprüche, die er stellt, an sich, an seine Musiker und offensichtlich auch an Sitzmöbel: Der Sessel gilt als der Klassiker der Moderne. Roth fläzt sich nicht in der berühmten Holzschale, er sitzt mit Körperspannung auf der Stuhlkante – „im Anstand“, das würde ein Jäger bestätigen. Die gewohnte Frack-Rüstung eines Maestros mit der Dirigierlanze bleibt ihm auch im Konzertsaal fremd: Roth symbolisiert Stärke und Vorrang nicht über Kleidung, sondern durch Kenntnis und mitreißende Begeisterung, einfach gesagt: durch sein Tun. Er zählt zu den modernen Dirigenten, die auch auf exponierter Position teamfähig sind. Das Ergebnis des bisherigen gemeinsamen Wirkens von Chef und Orchester spricht für diese zeitgemäße Arbeitsweise.
In der neuen Saison tritt Roth zusätzlich das ehrenvolle Amt des Ersten Gastdirigenten beim berühmten London Symphony Orchestra an. Und auch das Gürzenich-Orchester hat diese dritte Position neben Kapellmeister und Ehrendirigent neu besetzt: Nicholas Collon heißt der junge Brite, der beim Konzert mit den Kölner Musikern alle Sympathien im Sturm eroberte, auch die des Orchesters. Publikum und Musiker waren sich in diesem Falle einig – das ist nicht immer so. Wir stellen Ihnen diesen Neuzugang im Dirigenten-Trio vor.
„Am Puls der Zeit“ meint zunächst natürlich die Beschäftigung mit druckfrischen Partituren. Dafür haben Roth – von Hause aus Flötist – und sein Orchester den Franzosen und Hauskomponisten Philippe Manoury beauftragt, ein brandneues Konzertstück für den momentanen „König der Flötisten“ Emmanuel Pahud auf Papier zu bringen – so schreibt sich Köln und sein Orchester in die Musikgeschichte ein. Da dies nicht erst seit gestern, sondern schon in Brahms, Mahlers und Richard Strauss´ Tagen so war, verführt der 100. Geburtstag des Kölners Bernd Alois Zimmermann zwangsläufig dazu, diese heimische Komponisten-Ikone im Saisonprogramm zu porträtieren. Der Kenner Rainer Nonnenmann, der im Bildvergleich auch rein äußerlich dem großen Komponisten sehr nahe kommt, führt uns in die Pläne zur Geburtstagsfeier ein.
Zeitbewusst verhält sich Birgit Meyer, die Intendantin der Oper Köln. Den dort vorhandenen Orchestergraben bespielten bis 2012 ebenfalls die Gürzenich-Musiker. Erstmals in der nicht enden wollenden Interimsphase während der Opernhaus-Erneuerung kann die Chefin mit Gewissheit über die Spielstätte die nächsten Stücke planen – wir sprachen mit der promovierten Ärztin über heilende Ideen in schwierigen Zeiten.
Starke Frauen erscheinen am Dirigentenpult noch viel zu selten. Deshalb ist die Freude gewaltig, dass zwei international gefragte Damen den Taktstock schwingen werden – die Kulturjournalistin und Radiomoderatorin Sabine Weber schildert erste Eindrücke und erläutert die vielversprechenden Karrieren.
Highlights im philharmonischen Programm und im Staatenhaus der Kölner Oper erfreuen über die gesamte Spielzeit. Ein besonderer Tipp zum Schluss betrifft das freie Video-Angebot (GO Plus) des Gürzenich-Orchesters: Über Live-Stream oder abrufbare Video-Produktion strahlen die Kölner Musiker mit ihrer Musik in die ganze Welt: Zeitgemäß können auch unsere asiatischen Klassikfreunde zugreifen und rätseln, warum ein so großartiges Orchester einen so kryptischen Namen besitzt. Das muss etwas mit Tradition zu tun haben.
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