Der bereits 1992 im Alter von 40 Jahren gestorbene Arthur Russel war ein Wanderer zwischen den Welten. Ab Ende der 70er Jahre hat er sich in New York einen Namen mit Leftfield-Disco gemacht. Zuvor und auch während seiner Disco-Phase hat der studierte Cellist Minimal Music gemacht. Neben seinem Album „Tower of Meaning“ von 1983 sind seine „Instrumentals“, die er Mitte der 70er Jahre komponierte, die zartesten Stücke aus seiner Feder. Sie strahlen eine majestätische Ruhe aus, sind Ambient und Pop zugleich und erinnern mit ihrer fragilen Rhythmik an den Exzentriker Moondog. „Arthur Russel‘s Instrumentals directed by Peter Gordon“ ist die erste Bühnenaufführung dieser Stücke, und dazu noch mit Russels Original-Ensemble aus den 70er Jahren (1.6., 20 Uhr, Schauspiel Köln im Depot).
Die Black-Metal-Quereinsteiger Liturgy aus New York sind ideologisch wohl im Post- und Math-Rock zu verorten. Trotzdem klang noch ihr letztes Album „Aesthetica“ wie echter Black Metal. Mit „The Ark Work“ ist das nun aber wirklich vorbei, und es gibt einige Fans, die ihnen das krumm nehmen. Viel Orgel und Synthesizer sorgen für Klangwände à la Fuck Buttons, daneben gibt es aber auch klerikal anmutende Gesänge, mittelalterliche Fanfaren und sogar fette Beats und Bässe, die in Richtung Trap schielen. Strange Mischung, aber toll. Davor spielt der belgische Elektroniker Maoupa Mazzocchetti, der tribalistischen Techno mit ungewöhnlichen Sounds versetzt (3.6., 20.30 Uhr, Stadtgarten). Zusammen mit der Ndagga Rhythm Force aus Dakar hat der Minimal Techno-Pionier Mark Ernestus (Maurizio, Rhythm & Sound) einen perkussiven, polyrhythmischen Afro-Funk mit elektronischer Erdung entworfen, der live noch mal deutlich mehr vibriert als auf Platte. Der in Berlin lebende Brite Shackleton hat den Anfang von Dubstep mitgeprägt und ist dann in Richtung Minimal-Techno abgebogen, ohne die Dub-Basis zu verlassen. Mark Ernesto liefert vor den beiden Konzerten ein Warm-up DJ-Set, nach den Konzerten geht die Party im Studio 672 weiter (12.6., 22 Uhr, Stadtgarten).
Primus erinnern einen an vieles: Natürlich an Frank Zappa, auch an Captain Beefheart, an Gong und mit ihrem Knödelgesang irgendwie auch an die Residents. Aber keiner der Verweise beschreibt anschaulich diesen merkwürdig knorpeligen und doch schwungvoll hüpfenden Sound der Band um den virtuosen Bassisten Les Claypool. Begleitet wird der auf der Bühne gerne extravagant gekleidete Claypool immer noch von seiner aus den späten 80er Jahren stammenden Besetzung (20.6. 19 Uhr, Live Music Hall). Der norwegische Pianist Bugge Wesseltoft, der deutsche Techhouse-Produzent Henrik Schwarz und der schwedische Bassist Dan Berglund erforschen den Groove zwischen Techno und Jazz. In langsam aufbauenden Stücken entfalten sie mit warmem Klang eine Dynamik, die das analoge mit dem digitalen verschmilzt, ohne dass sich das nach einem Kampf der Gegensätze anhört. Lange Passagen ohne Beat münden in einen groovenden Fluss (16.6., 20 Uhr, Philharmonie Köln). Die No-Wave-Ikone Lydia Lunch (Teenage Jesus, Beirut Slump, 8-Eyed Spy) schart mit dem Projekt Retrovirus eine regelrechte Supergroup des Noise um sich: Weasel Walter von den Flying Luttenbachers ist an der Gitarre, Bob Bert, Schlagzeuger der frühen Sonic Youth und später bei Pussy Galore, trommelt und Tim Dahl von den großartigen Child Abuse spielt Bass, während die Queen of the Dark ihre musikalische Biografie Revue passieren lässt. Als Support spielen die chinesischen Carsick Cars (25.6., 20 Uhr, Blue Shell).
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