Mittwoch, 28. November: Der Kölner Dokumentarfilmverleih mindjazz steht für Kino mit Sinn: Ökofilme wie „The End of Meat“ oder „Live and Let Live“ stellen die Ethik von Fleischkonsum auf den Kopf, mit „Zeit für Stille“ oder „InnSaei“ will man dem Zuschauer die Kraft von Spiritualität, innerer Ruhe und Intuition näherbringen. „Piripkura – Die Suche nach den letzten ihres Volkes“, eine Art Erinnerung an die indigenen Völker Brasiliens, deren Ausrottung im Zeichen der Profitgier voranschreitet, passt dementsprechend nur allzu gut in das Konzept des Verleihs. Am Mittwoch stellte Sonja Hofmann von mindjazz die unlängst erschienene brasilianische Dokumentation von Mariana Oliva, Renata Terra und Bruno Jorge im Odeon vor. Zu Gast waren unter anderem Malte Reshöft vom Hilfswerk Misereor und Amanda Luna vom Allerweltshaus Köln.
Der Film begleitet den Angestellten Jair Candor der nationalen Behörde zum Schutz der Indios FUNAI in die Tiefen des brasilianischen Amazonas, in den Mato Grosso an der bolivianischen Grenze. Grund dafür sind der – noch unversehrte Wald – und genau zwei Menschen, die in ihm leben. Die Suche zielt allerdings nicht nur auf das Wohlergehen der beiden ab: Pakyî und Tamandua sichern mit ihrer Existenz vor der Abholzung des Gebiets. Wie lange noch, ist allerdings fraglich. Die Angst davor, dass FUNAI unter dem neu gewählten Präsidenten Jair Bolsonaro in falsche Hände fallen könnte, ist derzeit groß.
Indigene als Modernisierungshindernis
„Schließlich hat Bolsonaro ja schon angekündigt, er werde keinen Zentimeter Rücksicht auf die Indios nehmen“, erklärt Malte Reshöft. Der Vorstand von Misereor setzt sich seit Jahren für den Schutz von indigenen Völkern ein. Die Situation sei aber weiterhin prekär, weil sich die brasilianische Bevölkerung kaum für die Situation der Ureinwohner interessiere. „Als Candor Pakyî und Tamandua trifft, überfällt den Zuschauer ja schon ein gewisses Unbehagen, weil zum Beispiel eine Verständigung faktisch kaum möglich ist. Viele verstehen nicht, warum so viel Rücksicht auf zwei Menschen genommen werden soll, die – zumindest die Regierung – als klares Modernisierungshindernis sieht.“ Goldsuchern und Farmern sind Pakyî und Tamandua deshalb auch ein Dorn im Auge. Viele ihrer Verwandten wurden nachts überrascht und mit Schrotflinten erschossen. Eine Strafverfolgung gab es nicht. „Da wird einem das Desinteresse erstmal bewusst“, erklärt Reshöft.
Dabei leben im gesamten Amazonasgebiet schätzungsweise immer noch 390 indigene Völker. Um gehört zu werden, sei deshalb wichtig, dass auch die Indigenen Verantwortung übernähmen, fordert Amanda Luna vom Allerweltshaus und selbst Indio aus Peru. „Wir müssen in einen Dialog mit der Regierung treten, uns für unseren Bestand einsetzen. Aber fast alle gehen. Der voranschreitende Klimawandel, die Zerstörung unserer Erde, das wirft die Frage auf, wofür wir eigentlich noch kämpfen sollen.“
Wie können wir Indios helfen?
Umweltkastastrophen, Großunternehmer, Touristen, Präsidenten – all das sind demnach Hindernisse für Indios, an die „Piripkura“ erinnern will, auch in Deutschland. Aber was können wir persönlich tun? „Wer die schleichende Ausrottung dieser Völker verhindern will, muss die UN-Konvention ILO Nummer 169 ratifizieren“, verlangt Reshöft. Das einzige verbindliche internationale Abkommen zum Schutz indigener Völker garantiere zum Beispiel, dass diese Völker angehört werden müssen, wenn auf ihrem Gebiet Rohstoffe ausgebeutet werden. Vor Ort würden die Bestimmungen aber immer wieder umgangen, weil Industriestaaten wie Deutschland das Abkommen immer noch nicht ratifiziert hätten. „Wir vom Hilfswerk Misereor treten in dem Fall oft als zahnloser Tiger auf“, bedauert Reshöft, „weil man uns direkt vorwirft, dass wir die ILO sowieso nicht ratifiziert hätten.“ Wichtig sei außerdem die eigene Konfrontation mit dem Fremden. „Wann waren Sie zum Beispiel das letzte Mal in Chorweiler? Das ist für uns auch einmal eine andere Erfahrung. Fahren Sie hin, auf sowas muss man sich einlassen.“
Und die Natur? Da wird Reshöft pathetisch: „Der moderne Mensch hat die Verbindung zu ihr verloren. Entweder wir sehen sie als Bedrohung oder wir romantisieren sie.“ Auch hier rät er: In den Wald gehen und die Dualität von Natur erfahren, die Härte, den Kampf ums Überleben, aber auch die Schöhneit, den Ursprung, die Schöpfung und die Notwendigkeit dessen, das uns, diesen modernen Menschen, überleben lässt. So wie Pakyî und Tamandua im Amazonas. Bis heute.
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