Wenn in den letzten Jahren der Name der Regisseurin Ilaria Lanzino aufgetaucht ist, war Aufmerksamkeit angesagt. Jede ihrer Arbeiten versprach neue und anregende Erkenntnisse. Dabei setzt die ausgebildete Sängerin aus Italien nicht auf rasche Sensationen oder provokante Regie-Überbauten. Sie entwickelt ihre Sichtweisen in der Tradition des Physical Theatres aus der Arbeit mit den Körpern ihrer Darsteller und aus der genauen, aber unkonventionellen Lesart der Werke. Ein faszinierendes Beispiel war ihre Inszenierung von Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in Nürnberg: Aus dem romantischen Thriller formte sie die anrührende Geschichte eines „Luca di Lammermoor“, der seine schwule Zuneigung zu Edgardo Ravenswood nicht leben darf und daran zugrunde geht.
An der Oper Dortmund nimmt sie sich nun „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart vor – laut E.T.A. Hoffmann die „Oper aller Opern“. Der „Wüstling“ Don Giovanni verführt eine Frau nach der anderen; 1003 sind es allein in Spanien, rechnet sein Diener Leporello vor. Das ginge immer so weiter, aber Don Giovanni ersticht bei einem nächtlichen Verführungsversuch den Vater seines Opfers Donna Anna. Der wartet daraufhin als Statue auf dem Friedhof auf den Moment seiner Rache.
Wer ist Don Giovanni? Darüber haben in den letzten 400 Jahren Philosophen geschrieben und Theatermenschen nachgedacht. Ein Stoff also, bei dem es schwer scheint, noch etwas Neues auszusagen. Ilaria Lanzino ist es zuzutrauen, eine überraschende und schlüssige Sicht auf den Mythos dieser Figur zu entwickeln. Die Oper Dortmund kündigt an, dass „es im Werk nicht ausschließlich darum geht, die moralischen Verfehlungen eines Antihelden aufzudecken. Vielmehr hält uns Mozart einen Spiegel einer ganzen Gesellschaft vor.“
Dortmund hat mit George Petrou eine weitere, nicht minder spannende Persönlichkeit gewonnen: Der Dirigent ist Leiter der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen und gilt als Spezialist für die Musik des 18. Jahrhunderts bis in die Zeit Rossinis. Er wechselt sich am Pult mit der jungen Dortmunder Kapellmeisterin Olivia Lee-Gundermann ab, die in Dortmund schon mit John Adams‘ „Nixon in China“ auf sich aufmerksam gemacht hat.
Don Giovanni | 18. (P), 30.1., 2., 6., 14., 26.2., 2., 15.3. | Oper Dortmund | 0231 502 72 22
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