Donnerstag, 7. Dezember: Organisiert vom Kölner Stadtverband-Team des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) und dessen Vorsitzenden Oliver Fiebich, stellte Regisseur Thomas Binn zum Abschluss seiner mehr als sechs Monate andauernden Kinotour sein Langfilmdebüt „Ich. Du. Inklusion.“ noch einmal mit anschließender Diskussion im Kölner Odeon-Kino vor. Fiebich freute sich, dass das Kino „trotz Krankheitswelle gut gefüllt“ war und sich im Publikum auch zahlreiche Lehrer befanden, für die das Thema Inklusion seit einigen Jahren längst zum Schulalltag gehört. Noch vor der Projektion des Films ermahnte Fiebich, dass es notwendig sei, „Stimmen für bessere Rahmenbedingungen an deutschen Schulen“ zu sammeln. Ellenlang sei mittlerweile die Liste der verbesserungswürdigen Zustände, vom generellen Lehrermangel über die Unterbesetzung von Sonderpädagogen, Hausmeistern und Sekretärinnen bis hin zur maroden Gebäudesituation zahlreicher Schulen und ihrer schlechten Ausstattung. Fiebich wies in diesem Zusammenhang auf eine Online-Petition hin, die von der VBE-Zeitschrift „Schule heute“ unter dem Titel „Es ist fünf nach 12“ für bessere Rahmenbedingungen an Grundschulen initiiert worden ist.
Im Anschluss an die Vorführung von „Ich. Du. Inklusion.“ erläuterte Regisseur Thomas Binn auf der Bühne des Kinos, dass der Film eine untypische Entstehungsgeschichte habe. Er selbst sei eigentlich Sozialpädagoge, der sich irgendwann fürs Filmemachen entschieden habe. Bereits vor fünf Jahren hatte er an der Grundschule in Uedem im Kreis Kleve einen Kurzfilm über Mobbing an der Schule realisiert. Als 2014 an allen Schulen Nordrhein-Westfalens die Inklusion rechtskräftig eingeführt wurde, sah Binn die Chance gekommen, einen ersten Inklusionsjahrgang in einer Langzeitdokumentation filmisch zu begleiten. Die Idee, gleich mehrere Jahre mit einem Filmteam an einer Schule zuzubringen, wird in der Regel von den meisten Direktoren bereits in der Projektphase abgelehnt. „Dieses Filmprojekt an der Schule in Uedem war mir nur möglich, weil ich mit den Verantwortlichen dort schon im Vorfeld eine breite Vertrauensbasis aufbauen konnte“, sagte Binn beim Publikumsgespräch. Im Anschluss galt es dann, die Eltern der Kinder für das Projekt zu begeistern. Bei einem Infoabend mit der Klassenlehrerin und der Sonderpädagogin noch vor dem Einschulungstag kündigte Binn auch sein geplantes Filmvorhaben an. „Viele Eltern waren skeptisch, was ich gut verstehen kann. Ich sagte ihnen, dass im günstigsten Fall dabei eine Kinodokumentation herauskommen würde, im für mich ungünstigsten Fall lediglich ein Videodokument über die Grundschuljahre ihrer Kinder“, so der Regisseur. Denn nachdem alle Eltern die Protagonistenverträge für ihre Kinder unterschrieben hatten, begann Binn schon mit den Dreharbeiten, also noch bevor er irgendwelche Förderanträge geschrieben oder die Auswertung des Films gesichert hatte. Als der Kölner Verleiher Holger Recktenwald von Mindjazz Pictures von dem Projekt erfuhr, ging dann allerdings alles sehr schnell. Recktenwald erkannte das Potenzial des Films aus seinen eigenen Erfahrungen als Vater heraus und sicherte Thomas Binn eine Kinoauswertung zu.
Für einen Dokumentarfilm sind die aktuellen Zahlen von nahezu 30.000 Zuschauern sehr erfolgreich, und auch die Resonanz bei der rund 60 Kinogespräche umfassenden Kinotour erlebte Thomas Binn als überwältigend. Einige Lehrerkollegen hätten sich durch die im Film gezeigten Entwicklungen bestätigt gefühlt, andere betonten, dass ihre persönlichen Erfahrungen um ein Vielfaches schlimmer seien. Schließlich wäre Uedem nicht repräsentativ, da die naturverbundene, heile Welt der kleinen Gemeinde mit ihren engagierten Eltern und Lehrern im Gegensatz zu Problemvierteln wie Köln-Chorweiler oder Duisburg-Marxloh stehen würde. „Heute sehe ich es als großen Vorteil des Films, dass er nicht an einer Schule im sozialen Brennpunkt angesiedelt ist, weil er uns zeigt, dass das System selbst an einem Ort wie Uedem nicht funktioniert“, merkte der Regisseur weiter an. Dass es dabei nicht um ein generelles Ablehnen der Lernform Inklusion ginge, sei dabei völlig unstrittig. Es sei erwiesen, dass alle Kinder voneinander profitieren könnten und dass das Inklusionsmodell diesen Austausch fördere. Auch Oliver Fiebich ergänzte, dass sich bei einer Umfrage 60% der NRW-Lehrer und damit mehr als im Bundesdurchschnitt für die Inklusion ausgesprochen hätten. Allein die Rahmenbedingungen dafür müssten stimmen. Solange nicht genügend Lehrkräfte zur Verfügung stünden und Sonderpädagogen nur einige wenige Stunden in der Woche mit in der Klasse seien, könne die Inklusion nicht im gewünschten Maß funktionieren. Angesichts der katastrophalen Arbeitsbedingungen wundere es Binn, dass es nicht täglich zu Protesten kommen würde. Beamten sei zwar verboten zu streiken, doch mit den eingangs erwähnten Möglichkeiten von Online-Petitionen würde auch ihnen ein angemessenes Mittel zur Verfügung stehen, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen. Und um das Thema im Fokus zu behalten, plant Thomas Binn aktuell bereits einen weiteren Film über unser Bildungssystem.
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