12,4 Mio. Passagiere, dazu 815.000 Tonnen Waren und Güter: 2019 war ein „schwieriges Jahr“ für den von wirtschaftlichen Entwicklungen abhängigen Flughafen Köln-Bonn, aber auch kein leichtes für die Anwohner in den Kommunen im Einzugsbereich. Flugzeuge starten und landen selbst während der Kernruhezeit von 0 bis 5 Uhr und überfliegen dabei Ortschaften und Teile von Köln und Bonn. Der Flughafen sei ein „total nachtoffener Flughafen in einem dichtbesiedelten Gebiet“, erklärt Manfred Stößer, stellvertretender Vorsitzenderdes Vereins Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn (LSG) die Situation. „Nachtflüge sind durch die Erweiterung des Passagiernachtfluges deutlich angestiegen.“
Dass ein Flughafen Lärm mit sich bringt, war schon 1973 klar, als sich der Verein gründete, um eine Erweiterung zu verhindern. „Wenn es uns nicht gäbe, wäre der Flughafen heute größer als der von Frankfurt“, meint Stößer. Zu den Mitgliedern zählen zahlreiche von Lärm betroffene Kommunen wie Bergisch Gladbach oder Siegburg, die dem Verein neben den Ortsverbänden politisches Gewicht verleihen. Die Stadt Köln hingegen kontrolliert den Flughafen direkt über ihren 31-prozentigen Anteil an der Betreibergesellschaft, zusammen mit dem Bund und dem Land NRW sowie Bonn, die die restlichen Anteile halten. Der Flughafen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber in der Region und genießt, wie auch der Flugverkehr insgesamt, viel politische Unterstützung.
„Wissenschaftlich belegt sind die negativen Auswirkungen von Lärm auf Herz- und Kreislauferkrankungen“, so Manfred Stößer über die Lärmproblematik. „Diese sind im Umfeld des Flughafens deutlich ausgeprägter. Selbst Kinder sind in ihrer Entwicklung betroffen.“ Wer auf die Webseite des Vereins geht, findet vor allem Statistiken und Informationen: Der Verein will dem Eindruck, alles sei in Ordnung, fundiert etwas entgegenhalten. „Wer nicht davon betroffen ist, dem ist das egal – man freut sich dass der Flughafen da ist und macht sich keine Gedanken über die gesundheitlichen und klimaschädlichen Auswirkungen. Dies ist allerdings auch eine Folge der einseitigen Informationspolitik sowie der flughafenfreundlichen Berichterstattung in der Presse.“
Passagierflugzeuge, meist mit Zielen in der Türkei, haben in der Nacht inzwischen einen Anteil von etwa einem Drittel. Diese Flüge seien „nicht lebensnotwendig“, findet Stößer. Damit würden nach Überzeugung des Vereins die Standzeiten der Flugzeuge niedrig gehalten. Sie absolvieren so täglich einen dritten Umlauf. Profiteure seien einzig die Fluggesellschaften.
Die Schadstoffemissionen stehen zwar nicht im Zentrum der Vereinsarbeit, aber Widersprüchen wie dem zwischen Dieselfahrverboten am Boden und fehlender Regulierung am Himmel ist man sich dort bewusst. „Flugzeuge können machen was sie wollen. Transportflugzeuge wie die MD-11 verbrauchen 6000 Liter Kerosin pro Stunde.“ Es sei ein Irrtum zu glauben, dass deren Fracht in Köln verbliebe. „98 Prozent der Fracht wird nur umsortiert.“
Zu den jüngeren Erfolgen zählt der LSG mehrere Demonstrationen am Flughafen und Urteile des Oberverwaltungsgerichts in Münster und des Bundesverwaltungsgerichts. „Diese Verfahren führten dazu, dass der Flughafen ein Planfeststellungsverfahren durchführt. Hierzu konnten wir mehr als 16.000 Einwendungen durch betroffene BürgerInnen einreichen.“ Das Verfahren läuft seit 2017 und stellt die erste Bürgerbeteiligung bei Ausbauvorhaben des Flughafens dar. Doch was die Entwicklung des Flugverkehrs insgesamt angeht, sieht der Verein wenig Anlass zu Optimismus.
Info: fluglaerm-koeln-bonn.de
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