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Foto: Irma Flesch

Kulturfeudalismus und Aschermittwoch

01. März 2011

Warum der Teufel immer auf den größten Haufen scheißen soll - Magenbitter 03/11

We are the people that rule the world
A force running in every boy and girl
All rejoicing in the world
Take me now, we can try. (Empire of the sun)

Stellen wir uns einmal vor, wir hießen Senfkopf. Dann wäre schon die Jugend verpfuscht gewesen. Dumme Sprüche, Hänseleien, selbst die Lehrer hätten gegrinst, wenn sie uns aufgerufen hätten. „Kommen Sie mal nach vorne Senfkopf“. Höhöhö. Dann lieber schon nur Theodor als Vornamen, kennt jeder, der mit dem Ofenrohr. Ein dummer Witz. Doch zusammen wäre es ein halber Weltuntergang. Theodor Senfkopf, gerade gegoogled. Gibt es wohl nicht, sonst hier schon mal ein demütiges Sorry. Aber. (mittellange Pause) Die Welt wäre nicht halb so schlecht, wenn drei Buchstaben diesen Malus nicht entkräften könnten. Es macht nämlich einen Unterschied, wenn es Theodor von Senfkopf heißen würde. Ganz alter Adel aus der Nähe von Bautzen. Der Urgroßvater war bereits Oberst in der preußischen Armee, die Mutter eine geborene von und zu Bautzen. Ja dann, dann hätte kein Lehrpersonal gegrinst, Hänselein hätte es auch nicht gegeben, wahrscheinlich wäre man sowieso nicht auf eine gewöhnliche Schule mit gewöhnlichen Schülern gegangen. Fürs Abitur den ersten fahrbaren Untersatz, Cabrio versteht sich. Uni. Studieren auf ein Fach was der Papa schon lange betreibt. Doktorarbeit in Auftrag geben. Ist momentan en vogue. Dann heißt es bereits Dr. Theodor von Senfkopf und von und zu Bautzen. Die ganze Welt steht offen. Von US-Amerika bis Afghanistan. Der Feudalismus hat nämlich nie aufgehört zu existieren, und das adelige Geschlecht, das seine Besitztümer noch mit Kopf abhacken und Menschen schinden erworben hat, leider auch nicht. Sie sind eben teures Kulturgut geworden. Gut geht es im kulturellen Feudum des Ruhrgebiets auch nur denen, die sowieso schon dem Imperium dienen. Ihre Pfründe sind gesichert, doch es soll immer noch mehr werden. Mehr Geld, mehr Einfluss, mehr medienwirksame Beute. Die Vasallen stehen abseits im Regen, obwohl sie nicht alle Senfkopf heißen. Schon gar nicht die grauen Eminenzen. Und der Teufel soll immer weiter auf den größten Haufen scheißen. Beispiel: Nach dem medienwirksamen Start des Museums Folkwang im Kulturhauptstadtjahr möchte die finanziell klamme Stadt Essen mehr Landesgeld für den Alltagsbetrieb des Hauses. Das Land soll nun 10 oder 20 Prozent der laufenden Kosten von derzeit 4,5 Millionen Euro im Jahr übernehmen. Wir erinnern uns. Ganze 55 Millionen Euro hatte die Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gegeben (ja wenn das Wörtlein von nicht wär). Den laufenden Betrieb und zusätzliche Rückstellungen für das Gebäude in Millionenhöhe muss die Stadt finanzieren. Das ist schwierig, trotz der 800.000 Besucher. Geld vom Land fließt sowieso. Über die Kunststiftung NRW für Ankäufe und staatliche Hilfe bei der kostspieligen Versicherung der Werke. Auf der anderen Seite ist die vom 1999 gestorbenen Geiger Yehudi Menuhin gegründete Stiftung Ende Januar zahlungsunfähig geworden, weil die Bezirksregierung Fördergelder von mehr als einer Million Euro nicht ausgezahlt hatte. Werden jetzt weniger Kinder von der MUSE geküsst? Oder ist Aschermittwoch alles vorbei – mit den Senfköpfen und Teufelshaufen?

Peter Ortmann

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