Christoph Pehofer hat so ein Lächeln. Es ist eins von denen, die einem schön und echt von jedem Foto entgegenstrahlen. Ein Erkennungsmerkmal, das dabei hilft, ihn im Publikum an den Restauranttischen des Cinenova zu erkennen. Es ist Freitag, der zweite Tag der „Kölner Kino Nächte“, die für die hungrigen Cineasten gerade rechtzeitig kommen. Viele Freunde und Bekannte haben den Wiener Regisseur am Abend zur Vorführung seines Films „Couch Connections“ begleitet. Hinter dem Lächeln steckt ein gutgelaunter, offener 27-Jähriger, der vor drei Jahren seinen Job als Cutter gekündigt hat, um neun Monate um die Welt zu reisen. Nicht in erster Linie, um möglichst viele Orte zu sehen. Sondern um Menschen und Kulturen kennenzulernen. Dafür hat er bei insgesamt 53 Gastgebern, in der Couchsurfing-Kultur „Hosts“ genannt, auf dem Sofa geschlafen. Oder, wenn die Wohnung voller Sofagäste war, mit im Bett des Hosts. Auch, wenn dieser ein Nudist ist.
Couchsurfing mit der Kamera
„Ich habe zu 99 Prozent sehr positive Erfahrungen gemacht“, erzählt Pehofer im vollen Freiluftkino des Cinenova, während das Publikum auf die Dunkelheit wartet. Nur mit einem 18 Kilo schweren Rucksack und einer kleinen Sony-Kamera habe er sich im August 2017 auf den Weg gemacht. Ihm war klar, dass er die Kamera oft fremden Leuten und neuen Bekanntschaften in die Hand geben müsste, um auch selbst mal im Bild zu sein. Die Message des Films: „Ich wollte zeigen, dass wir uns viel ähnlicher sind, als wir glauben. Die Angst nehmen, die viele vor dem Fremden haben. Es ist auch ein Happy-pappy-Film geworden.“ Als die Fledermäuse über den Köpfen der Zuschauer hin- und herflattern und manch einer die warme Decke enger um den Körper schlingt, flimmert Pehofers durchweg unterhaltsames Werk über die Leinwand. Es wird viel gelacht, ab und zu herrscht auch Erstaunen über die Wohn- und Gastgebertraditionen in anderen Ländern.
„Durch das Couchsurfen fühlt man sich bei der Reise wie ein Einheimischer, da einem die Hosts ihre Secret Places zeigen“, berichtet Christoph Pehofer. In Köln habe er schon das obligatorische Mauerbier an der Uni genossen. Und wenn Gäste auf seiner Couch übernachten, fühle er sich, als reiste er in der eigenen Stadt. „Couch Connections“ geht anderthalb Stunden, eingedampft aus 36 Stunden Material, das er vor allem in Nordamerika und Südostasien sammelte. Sobald es wieder geht, werde er sich wahrscheinlich wieder auf die Reise machen.
Kinogeschichte mit Ennio Morricone
Am Sonntag, dem letzten Tag der Kölner Kino Nächte, werden im Kinosaal des Museum Ludwig zwei Filme hintereinander geboten, bei denen der Schwerpunkt auf der Musik liegt. „Cinema Paradiso“ von Regisseur Giuseppe Tornatore wartet mit Filmmusik von Ennio Morricone auf. Der Film aus dem Jahre 1988 bildet zugleich den Abschluss einer Reihe des Filmforums, die sich Filmmusiken und Komponisten widmet. Vor einem Jahr wurde dieser italienische Klassiker bereits ausgesucht – durch den traurigen Anlass, den Tod des Komponisten, wird nun regelrecht eine Hommage daraus.
Mit knapp 70 Besuchern und einer Drittel-Füllung ist der blaue Saal mit den roten Sitzen ausverkauft. Kurz vor Beginn der Vorstellung werden die Spätkommenden noch auf die letzten freien Plätze verteilt, hier und da hört man italienische Gesprächsfetzen. „Cinema Paradiso“ läuft im italienischen Original mit englischen Untertiteln, da die deutsche Version nicht mehr ins Kino zu bekommen ist. Auch handelt es sich, der Beschaffung der Filmrechte aus Italien wegen, um den teuersten Nachmittag der Reihe. „Deshalb wird er nur noch so selten gezeigt“, berichtet Dirk Steinkühler von der Filmpalette. „Aber auch, wenn man nicht jedes Wort versteht – der Film lebt von der Musik.“
Und tatsächlich brennt sich das immer wiederkehrende Thema nach zwei Stunden mit Gewalt ein. Die Musik lässt die Sentimentalitäten des Films mitfühlen, lässt mitweinen; über die humoristischen Brüche mitlachen. Dazu die musikalische italienische Sprache, die selbst in den gröbsten Flüchen und Perversitäten anheimelnd wirkt. Über die Geschichte des Kinos in den 40er und 50er Jahren, die in Tornatores vermeintlich autobiografischem Film erzählt wird, sei hier nur so an so viel erinnert: Im Nuovo Cinema Paradiso auf dem sizilianischen Dorf wird während der Vorstellung gespuckt, gepfiffen, gefickt, gelacht, geweint, gestorben, gejohlt, getrunken, gewichst, gedroht und geliebt.
Filmisches Vermächtnis von Jóhann Jóhannsson
In einer Dreiviertelstunde vor dem nächsten Film heißt es, auf dem hellen Museumsvorplatz Sonne tanken, bevor es wieder in die kühle Finsternis geht. Die Kuratorin und Architektin Isabel Strehle und Dirk Steinkühler präsentieren den nächsten Film: „Last and First Men“ ist ein unheimliches Kunstwerk, das in drei Ebenen wirkt. Die Aufnahmen brutalistischer Skulpturen und Monumentaldenkmäler aus dem ehemaligen Jugoslawien; die alle Sinne betäubende Musik; und Tilda Swintons überirdische Stimme, die aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Grundsteinroman von Olaf Stapledon aus dem Jahre 1930 liest. Bild, Musik, Text, alles ist strapazierend umwerfend. „Sie können sich für eins entscheiden“, schlägt Strehle vor, „oder Sie geben sich die volle Kante. Dafür sind wir, glaub ich, alle hier.“
Der Isländer Jóhann Jóhannsson wurde durch seine Filmmusik unter anderem zu Villeneuves „Arrival“ und „Sicario“ berühmt. Acht Jahre arbeitete er als Regisseur an seinem eigenen Science-Fiction, und konnte ihn doch nicht fertigstellen, bevor er mit 48 Jahren verstarb. Sein Team sorgte dafür, dass die 16-Millimeter-Aufnahmen zu einem Gesamten fanden, einem Vielen, das regelrecht den Körper erreicht. Besonders erschreckend ist dabei nicht nur das für Jóhannsson so typische Aufwallen der Lautstärke mit tiefen Bässen, sondern vor allem die totale Stille, die am Hochpunkt des Dröhnens plötzlich einsetzt. Manchmal bewegt sich nur ein kleiner grüner Punkt in der Mitte der flackernden Leinwand, wenn die 18. Generation der Menschen aus einer zwei Milliarden Jahre entfernten Zukunft zu uns, der ersten Generation, spricht.
„Es ist beeindruckend, wie Stapledon in den Zwanzigerjahren bereits vorausdachte“, kommentiert Strehle. „Es war eine Zeit, in der man sich fragte: Woher kommen die Menschen, welche ist die beste Gesellschaft; welches das beste System.“ Dabei sei der Text durchaus mit positiver Konnotation geschrieben. Er wirft hinreichend aktuell die Frage auf: Wie handeln wir, wenn wir uns bewusst machen, welche Krisen unsere Welt noch in unserer Lebenszeit erfahren wird?
Es ist unklar, wann man Jóhannssons Film noch einmal im Kino sehen kann; in Deutschland wird er wahrscheinlich nicht vertrieben. Nach bedrückendem Schwarzweiß, einer Kamera, die uns im Maßstab völlig verloren lässt, und menschenleeren jugoslawischen Nebelfeldern hat der Vorplatz das Publikum wieder. Die Sonne kündet von einem sommerlichen Abend. Doch wir haben erst einmal nachzudenken.
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