Freitag, 8. Juli: Wenn an vier Tagen an mehr als einem Dutzend Spielorten in Köln 50 Filme gezeigt werden, die man mit einem preisgünstigen Kombiticket anschauen kann, dann finden wieder einmal die Kölner Kino Nächte statt! Gemeinsam versuchen dabei Kölner Kinobetreiber, den nun doch so langsam sommerlicheren Temperaturen zu trotzen und mit Sonderveranstaltungen, Diskussionen und Besuchen von Filmemachern auf Zuschauerfang zu gehen. Eines der Highlights aus dem diesjährigen Programm stellte der im Januar angelaufene Dokumentarfilm „Family Business“ dar, den Regisseurin Christiane Büchner nun im Rahmen der Kölner Kino Nächte noch einmal persönlich im Filmforum präsentierte, um im Anschluss mit dem Publikum darüber in den Dialog zu treten. Präsentiert wurde der Film als Kooperation des LaDOC Filmnetzwerks filmschaffender Kölner Frauen und des in der Domstadt ansässigen RealFiction-Filmverleihs. Moderiert wurde die Veranstaltung von LaDOC-Mitbegründerin und Regisseurin Erica von Moeller („Frau Stinnes fährt um die Welt“).
In „Family Business“ beschäftigt sich Christiane Büchner mit einem „Phänomen unserer Zeit“, das keinen kaltlassen kann. Die Polin Jowita tritt hier eine Stelle als Altenpflegerin in der Wohnung der 88jährigen Bochumerin Anne an, weil sich deren Töchter nicht rund um die Uhr um die dement werdende Greisin kümmern können. Jowita allerdings lässt dafür ihre eigene Familie und ihre minderjährige Tochter für zunächst zwei Monate in Polen zurück. Büchner erzählte nach der Filmprojektion, dass sie Jowita als Filmprotagonistin zuerst gefunden und dafür bezahlt habe, dass sie auf ihre erste Stelle als Altenpflegerin wartete, bis die Regisseurin auch eine passende deutsche Familie gefunden hatte, die sich mit den Dreharbeiten einverstanden erklärte. Vier Monate vergingen bei dieser sehr schwierigen Suche, denn es war der Filmemacherin wichtig, dass beide Familien sich mit der Pflegesituation zum ersten Mal auseinandersetzten, „weil man dabei im Laufe der Zeit sehr schnell professionell wird.“ Büchner war die Unbefangenheit und Naivität des ersten Mals wichtig, speziell die ersten vierzehn Tage einer solchen neuen Beziehungskonstellation seien entscheidend. Büchner kam für ihren Film zugute, dass sowohl die polnische als auch die deutsche Familie eine gewisse Offenheit ihr gegenüber zeigten und sich nicht schämten. „Scham ist in diesem Bereich weitverbreitet“, erläuterte Büchner. Deutsche Angehörige schämten sich, ihre Eltern nicht selbständig versorgen zu können, aber auch polnische Pflegerinnen haben Schuldgefühle, weil sie ihre eigenen Familien im Stich lassen und im Ausland Geld verdienen müssen. In Deutschland erhielten sie für die gleiche Arbeit ungefähr dreimal so viel Lohn. Diese gesellschaftliche Entwicklung, die „immer mehr zur Methode wird“, so Büchner, hat sich in letzter Zeit allerdings von Polen noch weiter in den Osten und damit in die Illegalität verlagert, weil Pflegerinnen aus der Ukraine oder Russland nicht aus der EU stammen und deswegen ausnahmslos schwarzarbeiteten.
Jowitas relativ schlechte Deutschkenntnisse, an denen die Seniorin Anne im Film mehrfach Anstoß nimmt, seien typisch für diesen Berufstand, kommentierte die Regisseurin. Spricht eine Pflegerin besser Deutsch, wird sie direkt teurer; spricht sie noch besser, arbeitet sie nicht in einem solchen Job. Gleichwohl würde diese Tätigkeit von den Polinnen selten als Ausbeutung angesehen, da viele der Frauen damit auch ein positives Selbstverständnis verbinden würden. Büchner ergänzte dazu sogar: „In Polen sind diese Frauen Heldinnen, die das deutsche Gesundheitssystem retten.“ Auch deswegen war es der Regisseurin wichtig, die Probleme der polnischen Familie nicht außen vor zu lassen. Jowita fungiert in ihrem Film als Bezugsperson für das Publikum, weil sie als Einzige sowohl in der deutschen als auch polnischen Umgebung gezeigt wird, und die unterschiedlichen Schwierigkeiten, die sie an den beiden Orten hat, für die Zuschauer nachvollziehbar werden.
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