Der kanadische Musiker Chilly Gonzales ist weit herumgekommen in der Welt. So vielfältig wie seine Wohnorte – der gebürtige Kanadier ist in den 90er Jahren zusammen mit der Electro-Punk Ikone Peaches nach Berlin gezogen, lebte später in Paris und hat nun seit ein paar Jahren in Köln sein Domizil aufgeschlagen – so vielfältig sind auch seine musikalischen Wege, die vom Indie-Rock der 90er Jahre über Hip-Hop, Elektronik, Soft Rock und reine Pianostücke bis hin zur Zusammenarbeit mit Streichquartetten und ganzen Orchestern reichen. Dass er das alles auch gerne wild durcheinander schmeißt, wissen die Besucher seiner inzwischen schon zur Tradition gewordenen und regelmäßig ausverkauften Jahresabschlusskonzerte in der Philharmonie schon längst. Dort hält er eine Art Musikunterricht zwischen Hip-Hop und Klassik ab, den er mal seriös und virtuos absolviert, mal als Musik-Clown mit Bildungsauftrag an die Grenzen der heiligen Hallen der Philharmonie treibt. Auch für ein fast dreißigstündiges Non-Stop-Piano-Konzert für einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde war sich Gonzo, wie der virtuose Hühne auch liebevoll genannt wird, in Paris nicht zu schade.
Die Spannbreite und Palette seiner Darbietungen führt auch der erste Dokumentarfilm über den Musiker eindrucksvoll vor. Der Musikjournalist Philipp Jedicke eröffnet seinen Debütfilm mit einer wilden Collage aus Konzertmitschnitten von Gonzales‘ Song „Take Me to Broadway“, die vom Kellerclub bis zum großen Konzertsaal und vom Hip-Hop bis zum Orchesterwerk all das abbilden. Jedicke hat für seinen Kinofilm, der ursprünglich nur als kürzere TV-Doku geplant war, die Kölner Produktionsfirma Rapid Eye Movies bei einem zufälligen Treffen im Belgischen Viertel gewinnen können. Die Produzenten Stephan Holl und Antoinette Köster freuen sich nach zweijähriger Arbeit, dass der Film am Ende „so unterhaltsam und emotional geworden ist – auch dank eines großartigen Protagonisten“. Die Nähe zu Gonzales herzustellen war aber nicht ganz leicht. „Ich musste Schritt für Schritt Gonzales' Vertrauen gewinnen“, erinnert sich Jedicke. Private Bilder von Gonzales, der bürgerlich Jason Beck heißt, gibt es im Film daher nicht. Dafür umso mehr Konzertmitschnitte, PR-Aktionen und Interviews mit Musikerkollegen wie Feist, Jarvis Cocker, Peaches und vielen mehr. „Mein Ziel war es von Anfang an, mich der Person Jason Beck über die Kunstfigur Chilly Gonzales anzunähern, nicht andersherum“, sagt Philipp Jedicke. „Bei Gonzo liegt die Wahrheit im Kunstgriff“.
Jedickes Dokumentarfilm „Shut Up and play the Piano“ läuft am 12. Juli als Eröffnungsfilm der 10. Kölner Kino Nächte. Er und das Filmteam werden zur Vorführung in der Philharmonie anwesend sein. Ein Auftritt von Chilly Gonzales ist bislang nicht bestätigt, auch wenn er sich auf der Bühne der Kölner Philharmonie sicher längst heimisch fühlt, nach all den Shows vor ausverkauftem Haus, die er hier in den letzten Jahren absolviert hat. Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Bei der Weltpremiere auf der Berlinale war er ebenfalls nicht angekündigt und ist dann doch bei allen Vorführungen erschienen. Der Mann steht eben gerne im Rampenlicht. Am liebsten, wenn ein Flügel in der Nähe ist. Das sollte sich in der Philharmonie doch einrichten lassen...
10. Kölner Kino Nächte: „Shut up and play the Piano“ | R: Philipp Jedicke | Do 12.7. 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280
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