In ein Labor des Komponierens, Experimentierens, Improvisierens und auch des Diskutierens über alle Belange der Alten Musik will sich das Zentrum für Alte Musik Köln zu ihrem jährlichen Fest verwandeln. Das klingt nach Revolution oder Hexenküche. Dafür verantwortlich zeichnet der aktuell für zwei Jahre gewählte Künstlerische Leiter Ira Givol, ein israelischer Spezialist für die Viola da gamba und das Barock-Cello, beides Vorläufer des heutigen modernen Violoncellos, das er natürlich auch bedient. Givol lebt zwar in Brüssel, hat aber in Köln studiert und erst im letzten Jahr hier das Ensemble Les Voyageurs gegründet – bei Musikern der Alten-Musik-Szene ist dieser Titel zwangsweise Programm. Denn die Spezialisten können nur selten von einem Ensemble leben, sie sammeln mehrere Orchester, in denen sie eine feste Position einnehmen – meist projektbezogen. So spielt Givol auch in einem belgischen Barock-Ensemble und im Orchester Geneve Camerata.
Eines seiner erklärten Hauptziele besteht in der Reformation von gängigen und vielleicht überholten Konzertformaten. Givol preist da beispielhaft ein Konzert mit dem Titel „Der Wettbewerb“ (28.3.) an, der die Komponisten Johann Sebastian Bach und Christoph Graupner in eine historische Wettstreit-Situation setzt. Es geht um die Besetzung der Leipziger Stelle als Thomaskantor. Wer jetzt denkt, wer ist Graupner, die Sache ist wohl klar, der hat sich getäuscht. 1723 gewann der von Telemann, dem eigentlichen Wunschkandidaten, empfohlene Graupner das Rennen. Er war aber vertraglich so fest gebunden, das er ablehnte. Erst jetzt rückte Bach auf, Thomaskantor der dritten Wahl. – Im aktuellen Konzert werden die Werke ohne Nennung des Komponisten aufgeführt, und das Publikum erhält so die Möglichkeit, neu über die Qualität der Musiken zu entscheiden.
Musik für Kinder, ein Musik-Marathon als Appetizer, Musik und lecker Essen, Musik wie ein Menü serviert, Alte Musik mit Neuer Musik, Musik im historischen Ambiente des Museum Schnütgen oder Bachs Matthäus-Passion philharmonisch vom Collegium Vocale Gent und seinem Gründer Philippe Herreweghe. Dazu diskutieren Fachleute und Publikum zum Festival-Thema „Early Music: reload“ die Publikation des Oboisten und Musikwissenschaftlers Bruce Haynes mit dem provokanten Titel „The End of Early Music“. Noch lebt sie.
Kölner Fest für Alte Musik | 21. - 29.3. | www.zamus.de
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