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Regisseur Hazem Alhamwi aus Damaskus
Foto: Jan Schliecker

Innenansicht von Syrien

30. Januar 2015

Das arte-KHM Preview: „Aus meinem syrischen Zimmer“ – Foyer 01/15

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29. Januar, 19 Uhr: Nach einer kurzen Einführung durch arte/WDR-Redakteurin Sabine Rollberg und Regisseur Hazem Alhamwi beginnt in der Aula der Kunsthochschule für Medien die 70-minütige Doku über das Leben in Syrien nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs. Alhamwi kehrte 2011 nach Syrien zurück, um heimlich das kulturelle Leben dort zu dokumentieren. Der Sender arte eröffnete ihm die Möglichkeit, einen persönlichen Film zu machen, der nicht die CNN-Bilder von Gefechten dupliziert, sondern die Hintergründe des Bürgerkriegs beleuchtet. Er lässt syrische Bürger über das Leben unter der Herrschaft der Baath-Partei berichten, die seit den 60er Jahren an der Macht ist. Zuletzt wurde Baschar al-Assad im Jahre 2007 auf absurde Weise pseudodemokratisch im Amt bestätigt.


Hazem Alhamwi zeichnet Syrien
Bild: WDR / © Cosmographe/HAP/Majade/ARTE/WDR/France Télévisions/Hazem Alhamwi

Neben Befragungen von Weggefährten und Freunden – oft Künstler und Intellektuelle ohne verfremdete Gesichter und Stimmen – versuchte Alhamwi in der Stadt zu filmen und einige Kinder vor die Linse zu bekommen, die in den Schulen ganz im Sinne des Regimes erzogen werden. Die Berichte über fehlende Meinungsfreiheit und Gefängnisaufenthalte sind häufig mit ausdrucksvollen Zeichnungen des Regisseurs illustriert, während er seine eigenen Erinnerungen unter anderem mit Pflanzen im Zeitraffer und mit einer desorientierten Schildkröte bebildert. Der Ausblick der künstlerischen Regierungsgegner ist positiv; einer sagte, er habe inzwischen gar keine Angst mehr, und niemand im Film glaubte 2011, dass Assad sich noch lange halten könne. Ein freigelassenes Mädchen fühlte sich einer neuen Generation angehörig, die sich unter keinen Umständen dasselbe gefallen lässt wie ihre Eltern.

Erfahrungen von Systemgegnern

Der Film feierte im Oktober auf dem Leipziger Dok-Filmfestival Premiere und wurde nun ganz auf Deutsch übersetzt, wobei Alhamwi seinen Erzähltext selbst einsprach. Seine syrische Innenansicht ist im Moment von großem Wert, um zu vermitteln, was in den Köpfen syrischer Künstler und Intellektueller vor sich geht und um etwas von der unterschätzten Kultur Syriens nach außen zu tragen, während man zugleich zu den Wurzeln des Konfliktes viel erfährt. Parallelen zum Dritten Reich und manchmal zur DDR sind dabei offensichtlich und gehen nahe. Das Wichtigste, was Alhamwi einfing, sind vielleicht die mitgenommenen Gesichter und starken, ruhigen Persönlichkeiten derjenigen, die hier offen über ihre Erlebnisse sprechen. Viele Unterdrückte hatten gelernt, Kunst als ein Ventil zu benutzen, auch wenn das etwa bedeutete, im Gefängnis mit aus Knochen hergestellten Stiften auf Zigarettenpapier zu schreiben. Andere wurden Bildhauer oder schrieben Lieder.


KHM-Professorin und WDR/arte-Mitarbeiterin Sabine Rollberg; Regisseur Hazem Alhamwi
Foto: Jan Schliecker

Wie dreht man nun so einen Film? Was, wenn der Sicherheitsdienst einem auf die Spur kommt? Wie kommt man aus Syrien wieder hinaus? Alhamwi berichtete auf Englisch über das Herausschmuggeln von Filmmaterial auf bewusst beschädigten (aber reparablen) Festplatten oder versteckt innerhalb von Betriebssystemen, von in kleine Teile zerlegten Gerätschaften und von seiner Angst, vor die Tür zu gehen. Die Aufnahmen von Pflanzen seien in diesen besonders gefährlichen Perioden entstanden. Frau Rollberg erklärte, dass die deutschen und französischen Produzenten den Regisseur intensiv „bürokratisch flankiert“ hätten, um seine Reisen zu ermöglichen – persönlich habe sie etwa bei der Ausländerbehörde in Berlin trotz formeller Probleme für Alhamwi ein Visum erhalten können.

Widerstand mit Kunst

Alhamwi sah die Rolle des Films darin, das kulturelle Syrien zu Bewusstsein zu bringen und eine bereits existente, in und außerhalb Syriens wirkende, gewaltfreie Gegenbewegung zu Regime und Extremisten in Syrien zu stärken. Er hoffe auf einen Dialog zwischen der Opposition und den Freunden des Regimes. Man könne und brauche nicht ebenfalls mit Waffen zu arbeiten. Es gebe auch andere „Werkzeuge“ wie Kunst und Technologie. Mit Blick auf die Kunststudenten vor Ort sagte er, er habe das Glück gehabt, drei Dinge erlernen zu können: plastische Kunst, Theater und Film. Politisch dachte er zunächst nicht. „Aber in dem Moment, wo du siehst, dass alles ernst wird, dann kann man nicht anders, als eine Position einnehmen, und muss zu seinen Arbeiten stehen.“ Jeder müsse dann, wenn man nicht komplett schweigen will, auf seine Weise Stellung beziehen, so wie er mit der Kamera. Das sei in der konkreten Situation sehr schwierig, aber das Teilen mit anderen auch eine Art Befreiung, eine Belebung der „kreativen Seele“. Die Freiheit im Syrien sei sich nun am entwickeln und das Regime könne wegen des Krieges nicht mehr viel dagegen tun. Ohnehin könne nicht das ganze Volk ins Gefängnis gesteckt werden. Künstler und Intellektuelle müssten sich nun verstärkt nach außen hin präsentieren und etwas von sich teilen. Sehr viele Künstler arbeiteten nach wie vor in Syrien. Er selbst hatte in die KHM viele neue Zeichnungen mitgebracht, die das Publikum mitnehmen durfte.


Hazem Alhamwi legt seine Bilder aus, Foto: Jan Schliecker

Zu den Kindern im Film, speziell einem Mädchen, das Cello spielte, sagte er, dass es gut sei, Kinder mit Kunst in Berührung zu bringen. Sie hätten dann etwas, in dem sie innerlich aufgehen und mit dem sie sich weiterentwickeln könnten. Sonst entstehe da eine „Leere“, die von Islamisten und anderen leicht gefüllt werden könne.

Was der Film über Kunst aussage und Alhamwis Sicht auf Kunst als „Vision für die Zukunft“ hielt Sabine Rollberg für äußerst relevant, nicht nur im Kontext der Kunsthochschule: Was Kunst schaffe und gerade in schwierigen Zeiten für unser Leben bedeute, würde beim Versuch, den Landeshaushalt irgendwie auszugleichen, zu wenig beherzigt.

Der Film läuft auf arte am Dienstag, den 2.2. um 0.15 Uhr (also eigentlich am 3.2.) und ist dann auf arte+7 eine Woche lang abrufbar.

Jan Schliecker

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