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Die Musiker bei ihrem Auftritt
Foto: Rebecca Gerchel

„Improvisierte Musik ist die Musik unserer Zeit“

06. Oktober 2014

Ein Gespräch mit dem Impakt-Mitglied Nicola Hein, der für das Kollektiv für improvisierte Musik spricht

Nicola Hein, Jahrgang 1988, studierte Jazzgitarre, Philosophie und Germanistik. Konzerte führten ihn bereits quer durch Deutschland, Belgien, Luxemburg, England und die Niederlande. Schon seit längerem macht er frei improvisierte Musik mit anderen Musikern. Jetzt zeigte sich diese Gruppe von Musikern im Stadtgarten der Öffentlichkeit (Kritik). Das Musiker-Kollektiv Impakt macht mit großer Begeisterung improvisierte Musik – das kann man hören und auch sehen, wenn man eines der Konzerte besucht.

choices: Wer oder was genau ist Impakt?
Nicola Hein: Impakt ist ein Zusammenschluss von zehn Musikern aus Köln, die sich mit frei improvisierter Musik beschäftigen und für die das ein wichtiger Schwerpunkt ihres Schaffens ist. Alle sind noch etwas jünger (so zwischen 25 bis 30 Jahren). Es gibt uns, weil wir innerhalb der letzten drei, vier Jahre angefangen haben, ganz aktiv zu spielen. Und weil gerade von den jüngeren Leuten immer wieder dieselben präsent waren, haben wir uns gedacht, es wäre gut uns zusammenzuschließen, um gemeinsam eine bessere Öffentlichkeit für uns und unsere Musik gewinnen zu können. Und vor allem auch ein jüngeres Publikum ansprechen zu können. Es gibt zwar schon seit langem frei improvisierte Musik in Köln, denn Köln war immer schon eins der Zentren der frei improvisierten Musik in Deutschland, seit das in den 50er Jahren angefangen hat. Aber es gibt im Moment sehr wenig junges Publikum für diese Musik. Das Publikum ist in der Regel etwas älter und hat die Entwicklung schon eine lange Zeit mitgemacht. Und jetzt stellt sich die Frage, wie man Möglichkeiten, Anregungen und Events auf die Beine stellt, die auch für ein jüngeres Publikum interessant sind.

Und dafür wollt ihr jetzt eine Plattform schaffen?
Genau. Deshalb haben wir jetzt eine Konzertreihe ins Leben gerufen, um das Ganze zu initiieren. Die Reihe heißt „Impakt:Kontakt“. Wir fangen jetzt erst einmal mit zwei Konzerten an, wo wir auch ‚prominentere‘ Gäste dabei haben: Jim Denley, Paul Lytton und Mike Majkowski. Danach, am zweiten November, werden wir das Piano-Trio „The Mighty Mouse“ aus Kopenhagen und Elisabeth Fügemann mit ihrem Trio dabei haben. Unser Konzept sieht vor, dass eine Band außerhalb Kölns und eine Band aus Köln an einem Abend da ist. Nachher wird dann noch zusammen gespielt – ein relativ klassisches Format in der frei improvisierten Musik.

Und gibt es schon Pläne fürs nächste Jahr?
2015 soll das Konzertformat etwas weiter geöffnet werden – da wollen wir sehr unterschiedliche Musik und Kunstformen miteinander vereinen. So kann man Kontexte generieren, die für junge Menschen auch ansprechend sind und gleichzeitig den Anspruch an ein künstlerisch-qualitativ hochwertiges Programm realisieren.

Inwiefern spielen die verschiedenen künstlerischen Hintergründe der Mitglieder eine Rolle? Um die Frage zu konkretisieren: Was passiert mit der Musik, wenn ein Kollektiv-Mitglied aus dem Hip-Hop-Kontext kommt und der nächste privat eher Volksmusik präferiert?
Konkret bietet sich als Beispiel der biographische Hintergrund von Nathan (Nathan Bontrager, Cellist aus den USA) an. Da ist der Hintergrund der amerikanischen Folklore beim Musizieren sehr deutlich durchgekommen. (So gab er den Anstoß für die improvisierte Adaption von Uncle Dave Macons „Sail Away Ladies“, die The unnecessary stringband auf ihrem Konzert im Stadtgarten gespielt haben.) Auf der einen Seite bildet das einen Hintergrund, der auch in der Gruppe ständig präsent ist. Einige der Mitglieder des Kollektivs haben sich stark mit europäischer Kunstmusik beschäftig (oder das sogar studiert). Nathan hat zum Beispiel einen Master in Barock-Cello gemacht. Auf der anderen Seite schlägt sowas natürlich auch in den eigenen künstlerischen Projekten durch. So verarbeite ich natürlich auch meinen Hintergrund der Philosophie – das würde ich auch als eine Stärke von Impakt sehen: Dass die Leute so unterschiedlich sind und ihre eigenen Gedanken mit einbringen, trägt zu einem gewissen künstlerischen Reichtum bei.

Was ja auch ein Mehrwert von improvisierter Musik im Allgemeinen ist, oder?
Ja auch, aber vor allem ist improvisierte Musik sehr offen dafür, dass so etwas eingebracht wird.

A propos Einflüsse, die eingebracht werden… Der Auftritt von The unnecessary stringband hatte unter anderem auch sehr starke performative Elemente! Dass ein Gummihuhn aufgeblasen und zum Publikum geschmissen wird, war auch für das Publikum unglaublich witzig. Da ging eine Welle des Lachens durch den Saal. Oder die Tatsache, dass ihr als typische US-Farmer in weißem Unterhemd und Hosenträgern verkleidet und mit Requisitite auf die Bühne kamt, war einfach sehr unterhaltsam…
Auf jeden Fall hatte unser Auftritt eine performative Ebene. Wenn man sich verkleidet und dann so auf die Bühne geht – was für frei improvisierte Musik sehr unüblich ist – und dann noch Objekte mit einbringt wie die Whisky-Flasche, auf der auch gespielt wurde, kann man schon eine Parallele zur Performanz-Kunst feststellen.

Warum sollte man ein Impakt-Konzert besuchen? Was bekommt der Hörer Besonderes für die Ohren geboten?
Einerseits ist es natürlich ein spezielles Erlebnis – aber auch ein hoch qualitatives Erlebnis, insofern, dass es schon eine Musikform ist, in der es vor allen Dingen um die musikalische Qualität der Darbietung geht. Und nicht so sehr um eine Darstellungsleistung. Aber das ist ja ein generelles Phänomen der frei improvisierten Musik: Dass die Qualität der künstlerischen Darbietung im Fokus steht, anstatt einer Identifikation wie in der Popmusik beispielsweise. Deswegen haben wir ja auch keine schreienden Teenager, die uns bejubeln… Auf der anderen Seite kann man das auch in philosophische Worte packen. Dieter Manderscheid hat das mal so gesagt: Improvisierte Musik ist die Musik unserer Zeit – und zwar insofern, als sie das Nebeneinander der Kontradiktionen (was für uns ja so offensichtlich ist heutzutage) in sich aufnimmt und in einer Synthese als ein funktionierendes Ganzes zusammenbringt.

Von daher handelt es sich eigentlich um sehr moderne Musik, die den Finger am Puls der Zeit hat!
Ja, das stimmt. Zudem verändert sie sich stets im Verlaufe der Zeit, weil das, was die Spieler hineintragen, letzten Endes das ist, was die Musik ist. Deshalb bleibt die Musik immer aktuell. Auch aus Kuriosität könnte man ein Impakt-Konzert besuchen. Für viele Hörer ist es immer noch etwas sehr Ungewohntes, Neues, Frisches – etwas, das noch nicht bekannt ist, da man mit dieser besonderen Musik in einer Kultur normalerweise nicht konfrontiert wird. Heavy Metal zum Beispiel – wir wissen alle, wie das klingt – aber viele Menschen haben noch nie frei improvisierte Musik gehört.

Deshalb mutet die ‚Impro-Musik‘ wohl für einige wie eine Innovation an, obwohl es ja de facto gar keine ist!
Ja, ich erlebe es auch häufig, dass Menschen ganz überrascht von der Darbietung sind. Aber diese Musik ist mit ihrem sehr individualistischen und freiheitlichen Geist auch sehr weit weg von unserem Zeitgeist, der vorgibt, freiheitlich und individualistisch zu sein, aber eigentlich genau das Gegenteil davon ist.

Damit setzt die Musik ja ein gesellschaftspolitisches Statement. Hat improvisierte Musik einen gewissen politischen Anspruch?
Mhh… gute Frage. Also wenn ich jetzt Musik mache, in der es vor allem um ein Individuum geht, das seine eigene Sprache findet, aber in der Freiheit der eigenen Sprache sich doch gleichzeitig virtuos auf andere zubewegt in dem Sinne, dass es stark empathisch und aufmerksam ist und sich mit anderen Individuen verständigt – dann ist das natürlich schon eine politische Aussage. Bei Adorno gibt es einen Ausdruck dafür: „Die Versöhnung in der Differenz“ (eigentlich ein Ausdruck, den er in Bezug zur Dissonanz verwendet). Das kann man für frei improvisierte Musik genauso sagen. Das ist gleichzeig auch eine gewisse Utopie: Dieses Miteinander von verschiedenen Ansätzen, die zusammen etwas machen ohne dabei den Einzelnen zu beschneiden. Vielleicht ist es das, worum es auch bei Impakt geht. Die Gruppe an sich ist sehr heterogen, kommt aber doch gut zusammen, da jeder in seinen individuellen Qualitäten geschätzt wird.

Nächstes Konzert:
„Impakt:Kontakt # 2“ | So 2.11. 16 Uhr | Baustelle Kalk | www.impakt-koeln.de

Interview: Rebecca Gerchel

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