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Birgit Meyer
Foto: Hyou Vielz

„Im besten Sinne Musik-Theater“

31. August 2017

Die Intendantin der Kölner Oper startet kraftvoll in die neue Spielzeiten – Klassik am Rhein 09/17

Zu den erhabensten Aufgaben des Gürzenich-Orchesters zählt die Arbeit im Graben der Kölner Oper. Seit Jahren wird diese umgebaut, und nach verschiedenen Stationen in Ausweichquartieren haben die Musiker eine neue Heimat – wie vor kurzem bestätigt noch für mindestens fünf Jahre – im Staatenhaus in Köln-Deutz gefunden. Intendantin Birgit Meyer traf sich mit choices zum Gespräch über Gegenwart und Zukunft der Oper Köln.

choices: Frau Meyer, wo haben Sie in diesen stürmischen Zeiten Ihren Urlaub verbracht?
Birgit Meyer: Ich war unter anderem im Bregenzer Wald und bei den Bregenzer Festspielen. Wir kooperieren ja in der beginnenden Spielzeit mit der Inszenierung von Rossinis „Moses in Ägypten“. Dann Wien und eine kleine Nordseeinsel: Ruhe geniessen, die Seele baumeln lassen, draußen sein, ohne Theater.

Wie haben Sie die Hiobsbotschaften zum Opernhaus aufgenommen?
Das ist natürlich nicht erbauend. Seitdem ich in der Position der Intendantin bin, habe ich ständig mit großen Schwierigkeiten und besonderen Umständen umgehen müssen. Trotz vieler Widrigkeiten ist das bisher gut gelungen. Wichtig ist für mich, was es für die Mitarbeiter bedeutet. Da gibt es viele, die sehr enttäuscht sind und auch traurig, manche auch wütend. Das Gute ist, dass wir im Staatenhaus bleiben dürfen, solange die Renovierungsarbeiten andauern. Das gibt dem Betrieb die notwendige Planungssicherheit.

Wie beurteilen Sie Ihr Interimsquartier?
Das Staatenhaus erweist sich in dieser Notsituation als gute Spielstätte, die ausbaufähig ist, wo sich auch unkonventionelle künstlerische Ideen realisieren lassen. In Saal 2 erhalten wir demnächst eine Drehscheibe für die Bühne, damit lässt sich künstlerisch einiges – im wahresten Sinne des Wortes – bewegen. Wir richten uns jetzt ein für fünf Jahre – mit überschaubaren finanziellen Investitionen.

Viele Operngäste beklagen das karge Erscheinungsbild dieser „Oper“.
Gerade die jungen Leute finden das Foyer auch cool! Aber wir haben den Eingangsbereich über den Sommer verschönert: Wände und Türen gestrichen, den Boden verbessert…

Und die häufig schlechte Luft im Foyer bekämpft?
Auch das versuchen wir. Es wurden Aufführungsphotos installiert und weitere Sitzgelegenheiten geschaffen – Schönheitsreparaturen ohne große Investitionen. Ganz wichtig ist: Die Maske zieht von Mülheim nach Deutz. Das erleichtert die Produktionsprozesse der Abteilung bedeutend.

Wie erklären Sie sich den Kontrast zwischen den häufig erzürnten Briefen in der Tagespresse über die widrigen Umstände in der Oper und den sehr erfreulichen Besucherzahlen?
Das liegt an der Auswahl der Briefe, die veröffentlicht werden. Ich erhalte sehr aufmunternde und unterstützende Post von vielen Freunden der Oper, aber auch von Besuchern, die ich persönlich gar nicht kenne. Wir hatten beim Saisonabschluss mit der Schreker-Oper „Die Gezeichneten“ eine Auslastung von 90 Prozent. Ich stand am Bühnenrand und habe beobachtet, dass niemand beim Schlussapplaus vorzeitig die Tribüne verlassen hat. Alle feierten die Künstler: SängerInnen, Chor und das fabelhafte Gürzenich Orchester unter Stefan Soltesz. Solche Momente sind ein großes Glück, dafür macht man das – da konnte ich gut in die Ferien gehen.

Wie ist ihr Verhältnis zu den Musikern des Gürzenich-Orchesters?
Zuerst bin ich sehr froh, dass der Oper Köln ein so ausgezeichnetes Orchester zur Verfügung steht, und dass das Orchester und der GMD François-Xavier Roth so gut harmonieren. Wir sehen uns oft, ich besuche ja zahlreiche Proben. Ich kann nicht für das Orchester sprechen, aber viele Musiker sind, denke ich, auch sehr angetan von den ungewöhnlichen Aufgaben. Das kann natürlich auch oft strapaziös sein, mal von den Temperaturen her, dann wieder von den ständig wechselnden Positionen des Orchesters: mal vor, mal neben oder sogar hinter der Bühne. Es muss immer – zusätzlich zur normalen Arbeit – eine neue Balance in Hinblick auf das jeweilige Bühnenbild entwickelt werden. Aber das ergibt auch die Chance, mit einem anderen Bewusstsein Musik zu machen.

Wie dürfen wir das verstehen?
Für mich ist das Orchester in Summe aufgewertet. Die Musiker sind ganz anders zu sehen und teilweise in das Geschehen integriert. Das ist im besten Sinne „Musik-Theater“, wenn der Zuschauer wie beim „Figaro“ mit François-Xavier Roth miterleben darf, wie gemeinsam musiziert wird, wie Bühne und Orchester miteinander verschmelzen, bzw. der Fokus immer wieder vom Graben auf die Bühne und zurück wechselt. Das Zusammenspiel von Orchester und Bühne wird auch in der jetzt anstehenden Produktion von Wagners „Tannhäuser“ spektakulär gelöst werden, so etwas haben die Besucher im Staatenhaus bisher noch nicht gesehen.

Klingt das jetzt nach paradiesischen Zuständen?
Das Ziel bleibt, im Opernhaus zu arbeiten, mit einer hochmodernen Bühnentechnik, mit einem Schnürboden von 24 Meter Höhe und tiefen Seitenflächen neben der Bühne, mit einer riesigen Hinterbühne: Das will und muss alles bespielt werden! Mein aktueller Job ist es aber, Perspektiven aufzuzeigen, auch bzw. gerade in der jetzigen Situation. Ich bin ein Mensch, der nach vorne schaut.

Das Staatenhaus ist mehr als eine Notlösung?
Eigentlich fängt jetzt die kreative Phase im Staatenhaus überhaupt erst an. Erstmals wird alles für diese Location geplant, besonders die Bühnenbilder, die in den letzten zwei Jahren oft nur an die neuen Umstände angepasst wurden. Darin sehe ich eine große Energie für die kommenden Jahre, Ungewöhnliches zu planen, indem wir die Räume nutzen, wissend, dass wir so später nicht mehr Oper machen können. Da wird uns noch viel Gutes einfallen. Wir halten die Oper jung!

Zur Person:
Die in Köln geborene Birgit Meyer studierte zunächst Medizin mit abschließender Promotion in München. Parallel absolvierte sie ein Theaterwissenschaftsstudium und arbeitete dann als Chefdramaturgin an der Wiener Volksoper und für die Salzburger Festspiele. In dieser Position kehrte sie nach Köln zurück, wo sie seit 2012 als Intendantin wirkt.

Interview: Olaf Weiden

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