Die dritte Ausgabe des vom Schauspiel Köln ausgerichteten Britney X Festivals in der Spielstätte am Offenbachplatz findet vom 28. bis 30. Juni ab jeweils 15 Uhr statt. Spaß und Ernst werden wieder Hand in Hand gehen, wenn es um Sexualität, sexuelle Identität und Beziehungen geht. Um das künstlerische Programm herum, das von Theater über Installationen zum Konzert reicht, können Besucher bei Vorträgen und in Workshops einiges lernen, mit einander diskutieren und auf den abendlichen Partys Menschen begegnen. Die neuen Kuratorenduo Anna Tenti und Hermann Mueller präsentiert 36 Programmpunkte.
choices: Wie kamt ihr beiden zu Britney X?
Anna: Das Haus wollte das Festival gerne fortführen, weil das Thema wichtig ist. Die Dramaturgie ist daher auf uns zugekommen und hat uns gefragt, ob wir Interesse haben, das Festival zu machen. Und für Hermann und mich war das direkt klar: Wir haben Lust, wir wollen das auf jeden Fall machen.
Hermann: Das hat sich wie eine Generation weiter getragen. Unsere Vorgänger*innen waren auch Regieassistenten und wir sind quasi die neue Generation von Regieassistenten.
Wie lang seid ihr das schon?
Hermann: Also ich bin jetzt schon das dritte Jahr hier und das sind jetzt meine letzten Tage am Schauspiel Köln als Regieassistent.
Anna: Ich bin erst seit dieser Spielzeit hier, also eigentlich ganz neu.
Warum geht die Aufgabe an Regieassistenten?
Anna: Ich glaube, unsere vier Vorgänger*innen fanden es wichtig, das Thema überhaupt aufzugreifen und haben hier die Möglichkeit gesehen, das zu machen, und das Haus hat gesagt: OK, finden wir gut, wir wollen das machen und wir wollen, dass ihr das machen dürft. Deshalb ist es überhaupt bei den Regieassistent*innen gelandet.
Hermann: Ich glaube, die vier Kurator*innen des Britney hatten nach ihrer Assistenzzeit die Möglichkeit bekommen, dieses Haus [Spielstätte am Offenbachplatz, d.Red.] ein ganzes Jahr lang zu leiten – das war das verrückteste Jahr vom Britney. Und da haben die gesagt, wir wollen unbedingt ein Festival machen über Gender, Diversity und so weiter, und das ist auch echt eingeschlagen vor zwei Jahren.
Wart ihr auch dabei?
Hermann: Ich war zum Teil auch sehr viel dabei, ja klar.
Wie war das für dich, was ist dein Eindruck gewesen?
Hermann: Sehr gut. Man hatte auch noch den Eindruck, dass das wirklich sehr neue Themen sind und dass man sich da nochmal ganz neu gerade auch im Stadttheater-Kontext damit beschäftigt. Das war neu und hat auch sehr viel Aufmerksamkeit gebracht in Köln und anderswo – dass ein Stadttheater sich so essentiell und so jung mit diesen Themen beschäftigt.
Was sind eure Schwerpunkte für diese Ausgabe im Vergleich zu vorher?
Anna: Wir haben dieses Jahr sowohl den Schwerpunkt, dass wir viel über reale Beziehungen und real gelebte Sexualität sprechen und uns damit auseinandersetzen, aber trotzdem einen politischen Kontext haben. Wir haben drei Vorträge, an jedem Tag einen, denn das sind gesellschaftlich relevante Themen, und darum geht‘s natürlich auch. Aber es geht uns auch darum zu fragen, wie wollen wir leben, was wollen wir für eine Sexualität haben, was sind Fragen, die wir uns stellen, die sich unsere Generation stellt? Und was sind das für Beziehungsformen, die wir auch überhaupt führen möchten? Und reden wir da auch nur über Beziehungen romantischer Art, oder geht es auch um Beziehungen unter Freund*innen, unter Arbeitskolleg*innen und so weiter. Das sind alles Fragen, die natürlich damit zusammenhängen und die wir uns auch stellen, und daran haben wir unser Programm aufgehangen.
Hermann: Definitiv. Und was mir von Anfang an wichtig war, ist, dass man sagt: Wir wollen jetzt nicht so irgendwie eine perfekte Beschreibung von Sexualität und die ganze Zeit nur utopistisch drauf sein – das interessiert uns eigentlich nicht so sehr – sondern wir wollen wirklich sehen, wie wird Sexualität gelebt, was ist Sexualität jetzt für uns und wo sind auch die Problematiken, und sich denen auch zu stellen und da aber auch das alles nicht zu verteufeln, sondern wirklich draufzuschauen und abbildend zu sein. Und das kann vielleicht ein großer Unterschied sein zu den letzten beiden Festivals.
Habt ihr von den Vorgängern Tipps bekommen oder sonstige Hilfe?
Anna: Ich glaube, wir profitieren davon, dass das Haus uns so unterstützt und dass hier die Technik – Ton, Licht, Video... – schon wissen, was auf sie zukommt und uns da helfen und auch sagen, hey, da müssen wir nochmal genauer schauen. Das ist natürlich super, dass wir in Strukturen kommen, die das Festival schonmal gemacht haben und uns da total unterstützen.
Mit wie viel Publikum rechnet ihr?
Anna: Ich glaube, es ist sehr unterschiedlich, es kommt darauf an, was das für eine Veranstaltung ist. Wir hoffen natürlich, dass es durchgehend voll sein wird – das ist unser Anliegen.
Hermann: Und es ist auch okay, wenn mal nur 20 Mann da sind, das ist auch geil. Gerade bei so einem Thema braucht man manchmal einen intimen Kontext, also da mache ich mir gar keine Gedanken. Da werden gute Konstellationen zusammenfinden, da bin ich mir sicher.
Wie findet man die Künstlerinnen und Künstler, gab es da zum Beispiel Ausschreibungen?
Hermann: Wir hatten keine Ausschreibungen gemacht, wir sind ja auch immer im Team zusammen, und dann hat man natürlich seine Leute, wo man denkt, ja, die machen coole Kunst, und dann kamen auch viele Tipps von der Dramaturgie. Es ist ganz bunt zusammengekommen. Es ist auch alles „geschwommen“, bis es so ein komplexes Programm geworden ist.
Anna: Wir kommen auch aus unterschiedlichen Kontexten, und deswegen haben wir auch beide in unterschiedliche Richtungen geschaut: Wen wollen wir einladen, wen finden wir interessant? Und das macht, glaube ich, auch ein bisschen den Charme von diesem Jahr aus, dass es so ein sehr diverses Programm ist.
Seid ihr euch immer einig gewesen?
Anna: Es ist halt so, dass wir beide Regieassistent*innen sind und wir deshalb nie direkt zusammenarbeiten, weil wir immer beide bei anderen Produktionen assistieren. Und deshalb mussten wir uns durch diese Kuration auch ein bisschen kennenlernen. Und ich glaube, weil Hermann und ich aus unterschiedlichen Kontexten kommen, gab es da auch sicher mal Reibungen, und das ist aber auch in Ordnung und hat uns beide eher beflügelt. Wir haben super viel diskutiert über Themen: Wie wollen wir das machen? Und dadurch stehen wir jetzt auch beide total hinter dem Programm. Mittlerweise sind wir ein supergutes Team und haben auch viel Spaß dabei, das zusammen zu machen. Und das ist eben auch super wichtig, um so ein großes Festival zu zweit zu stemmen.
Es gibt wieder ein Festivalticket für alle drei Tage.
Hermann: Genau, ich würde mir einfach so ein Festivalticket kaufen und dann würde ich mir das Programm anschauen. Ich glaube, du findest auf jeden Fall an jedem Tag so viel, was dich interessiert. Natürlich kann man nicht alles mitmachen, das ist aber irgendwie auch das Ziel, dass man irgendwie ein bisschen überfordert ist und sich entscheiden muss – nur wenige Veranstaltungen werden wiederholt.
Was kostet der Festivalpass?
Hermann: 12 Euro.
Wow.
Hermann: Das ist super cheap.
Anna: Dafür kriegt man wirklich ein ordentlich vollgestopftes Programm.
Ihr habt sowohl ein paar Gastspiele, als auch Eigenproduktionen und Sachen, die nur für das Festival gemacht werden, wo ihr dann wahrscheinlich auch richtig mit anpacken musstet.
Hermann: Zwei von den Eigenproduktionen sind auch von uns, jeweils zwei szenische Arbeiten. Und dann haben wir andere Künstler*innen gefragt, ob sie ganz speziell für das Britney X sich etwas ausdenken.
Zum Beispiel?
Hermann: Zum Beispiel Paul Prangenberg, ein hier lebender Künstler und Designer, der wird sich eine szenische Arbeit zum Thema Internet-Sexualität ausdenken. [Dies fällt kurzfristig aus - Red.]
Anna: Und Magda Lena Schlott wird auch eine eigene Performance für das Britney X machen, darauf freue ich mich auch sehr.
Hermann: Zwei aus Berlin kommende Künstler denken sich für das Britney X extra eine DJ-Performance aus, und so weiter. Und sonst haben wir mehrere Performances hier, die passen sich auch an den Kontext und die Räumlichkeiten an, aber das sind wirklich Gastspiele im klassischen Sinn. Dann haben wir noch eine große Vorstellung, „How to Date a Feminist“ von unserem Hausregisseur Rafael Sanchez und seiner Frau, die hier auch spielt, Yvon Jansen. Die haben ein sehr privates und sehr amüsantes Stück darüber gemacht, wie man in einer Beziehung lebt und was es bedeutet, sich auch mal zu trennen, also wirklich sehr toll und vor allem sehr privat, und darum geht’s uns ja auch: Ich glaube, diesem ganzen Festival kann man anmerken, dass es von uns ist und von den Menschen, die hier zusammenkommen.
Anna: Genau. Und Freitag haben wir das Gastspiel „Aufstand aus der Küche“, das ein Re-Enactment-Projekt ist, und Sonntagabend kommt Carolin Emcke mit der Lecture-Performance „Ja heißt ja und…“.
Hermann: Carolin Emcke hat 2016 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen, unter anderem für ihr Buch „Wie wir begehren“, und ist eine der ganz großen Schriftstellerinnen unserer Zeit, die sich unermüdlich einsetzt für Toleranz, für eine freie Sexualität, für eine freie Gesellschaft. Sie macht das wirklich auch sehr realpolitisch und hat alle großen Medien hinter sich, um das auch zu veröffentlichen. Es ist immer sehr touching und gut, was sie schreibt, und ich bin wirklich sehr froh, dass sie hier ist.
Britney X Festival | 28. - 30.6. | Außenspielstätte am Offenbachplatz / Britney | www.schauspiel.koeln/spielplan/festivals/britney-x
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