Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Wallraff im Haus der Geschichte in Bonn
Foto: David Gruber

Die Demaskierung einer Gesellschaft

20. November 2015

Günter Wallraffs Dokumentation „Schwarz auf Weiß“ bei der Bonner Buchmesse Migration

Im Rahmen der „Bonner Buchmesse Migration“ stellte der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff seinen Dokumentarfilm „Schwarz auf Weiß“ vor, der bereits im Jahr 2009 veröffentlicht wurde. Wallraff ist bekannt für seine Undercover-Reportagen, bei denen er selbst meist als Hauptfigur auftritt. Mit Maske und Verkleidung dringt er unbemerkt in Unternehmen wie die Bild-Zeitung, Fast Food Ketten oder Lieferdienste ein und deckt so Missstände und Ungerechtigkeiten auf. „Schwarz auf Weiß“ ist wohl einer von Wallraffs bekanntesten Filmen, für den es sowohl positive als auch negative Kritik gab, wie Wallraff selbst im Laufe des Abends immer wieder betont. Mit Hilfe einer Maskenbildnerin und einem Perückenmacher verwandelte sich der Reporter über ein Jahr hinweg immer wieder in Kwami Ogonno, einen Somalier, der an verschiedenen Orten in Deutschland auftauchte und mit versteckter Kamera die Interaktion mit den Menschen, denen er in seiner „afrikanischen Maske“ begegnete, aufzeichnete.

Günter Wallraff im Gespräch mit Anne-Gisèle Nimbona, Foto: David Gruber

Die ausgewählten Szenen, die an diesem Abend von Wallraff gezeigt und teilweise auch kommentiert werden, sorgen im Publikum im Bonner Haus der Geschichte für Kopfschütteln und ratlose Blicke, oft aber auch für nervöses Lachen. Wie überzeichnete Karikaturen eines beispielhaften Rassisten wirken die Menschen, die Wallraff als Kwami Ogonno mit versteckter Kamera gefilmt hat. Die Kölner Vermieterin, die findet, dass Schwarze gerne überall leben können, aber nicht bei ihr. Der Campingplatz-Besitzer, der Angst vor den Reaktionen der Bewohner hat, die zwar teilweise auch aus dem Ausland kommen, aber eben nicht schwarz seien. Der Bayrische Beamte, der droht, die Polizei zu rufen, wenn Wallraff nicht verschwinde. Zugegeben, der Investigativjournalist hat sich für seine Recherche die „richtigen“ Orte ausgesucht. Kleingartenanlagen, Fußballstadien, Kneipen. Wo deutsches Spießertum auf bürgerlichen Kleingeist trifft. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Menschen in „Schwarz auf Weiß“ nun mal keine Karikaturen sind, auch wenn sie so scheinen mögen: Sie sind echt und leben unter uns.

Im anschließenden Gespräch mit Moderatorin Anne-Gisèle Nimbona erklärt Günter Wallraff seine Motivation. Zum einen habe er von schwarzen Freunden immer wieder gehört, dass sie im Alltag aufgrund ihrer Hautfarbe diffamiert wurden. Zum anderen sei es ihm ein „existenzielles Bedürfnis“  gewesen, sein Heimatland auf diese Art neu kennenzulernen. Denn eine Gesellschaft könne man daran messen, wie sie mit Fremden umgehe. Die Maskierung hilft Wallraff dabei, eben diese Gesellschaft zu demaskieren und die hässliche Fratze darunter zu offenbaren. Doch eines darf man nicht vergessen: Wallraff konnte diese Maske jederzeit ablegen und seine schwarze  Schminke abwaschen. Die Menschen, die tagtäglich für ihre Hautfarbe diskriminiert werden, können das nicht.

David Gruber

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

„Jeder muss jeden respektieren“
Viertklässlerin Ella über ihr Kinderbuch – Interview 02/22

Potenzial hoch vier
„House of Resources“ in Köln – Spezial 10/21

„… und es kamen Menschen“
Köln im Film setzt seine Reihe zum Thema Migration fort – Reihe 09/21

Das Recht, zu sein
Integrationshaus Kalk hilft Menschen in „Behörden-Not“ – Spezial 08/21

„Power to the people!“
„Demokratie Space“ in Kalk fördert Teilhabe – Interview 06/21

„Frische Einblicke“
Filmreihe des Refugee's Cinema Project ist online – Interview 01/21

Gleiche Chancen mit Zuwanderungsgeschichte
Der Kölner Integrationsrat wird neu gewählt

„Ich werde weiterhin als Migrantin gesehen“
Karosh Taha über den Literaturbetrieb – Interview 02/20

Zuwanderung war machbar
Kölner Migrations-Ausstellung im Kulturbunker – Kunst 03/19

Traum vom besseren Leben
„Lucica und ihre Kinder“ in der Filmpalette – Foyer 01/19

Migrationsmärchen für Kinder
„Vater Rabe, Mutter Erde, Schwester Stern und Bruder Schnee“ im Kulturbunker – Theater 11/17

Von einem echten Wiener
„Die Migrantigen“ im Cinenova – Foyer 09/17

choices spezial.

Hier erscheint die Aufforderung!