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Multiplayer gibt’s beim Spiel – nicht bei der Bundeswehr!
Foto: Arsenii / Adobe Stock

Generalverdacht

31. Oktober 2023

Teil 3: Leitartikel – Die Bundeswehr und ihr demokratisches Fundament

Grundsätzlich dürfte der Großteil der Menschheit den Krieg ablehnen. Umso vehementer, je näher er an die eigenen Grenzen rückt. Der pazifistische Anspruch, Krieg zu verhindern und Frieden zu schaffen, ist ehrenwert. Doch scheint er unrealistisch in einer Welt, in der (Bürger-)Kriegstreiber Nationen führen. Wer von Aggressoren angegriffen wird, will sich wehren. Also gründete die Bundesrepublik im Jahr 1955, begleitet von erheblichem Diskurs, eine neue Armee. Offiziell heißt sie seit dem 1. April 1956 „Bundeswehr“, mit Betonung auf „wehr“. Und Worten müssen Taten folgen – die Wehrmacht hatte diesem Namensteil bekanntlich Hohn gesprochen.

Wie ein Computerspiel?

Wie auch immer: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“, heißt es im Grundgesetz. Zu verteidigen ist das Land und seine Verbündeten. Knapp 500.000 Soldat:innen dienten im Kalten Krieg. Heute, nach der Umstrukturierung, sind es ca. 179.000 Berufs- und Zeitsoldat:innen. Materialprobleme sind dabei kein akutes Problem. Sie sind ein wiederkehrendes. Eine nachhaltige Wehrfähigkeit des Heeres steht offensichtlich grundsätzlich in Frage. Dem ramponierten Image und Nachwuchsproblemen begegnet die Bundeswehr mit Kampagnen, indem sie schon an Kitas Präsenz zeigt, auf Youtube coole Truppentrips streamt oder sich bei der Gamescom mit Begriffen aus der Gamersprache anbiedert: „Mehr Open World geht nicht!“ Mehr wirklich Krepierenim Ernstfallaber auch nicht.

Wie sich Rechtsextremismus formiert

Seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 setzt die Bundeswehr auf Freiwillige.Freiwillig Dienst an der Waffe zu leisten, ist eine extreme Entscheidung – wer sie trifft, ist aber nicht zwingend rechtsextrem.Wer rechtsextrem denkt, denkt aber vielleicht darüber nach, sich bei der Bundeswehr an der Waffe ausbilden zu lassen und bei Gelegenheit auch Teile des Waffendepots zu plündern und sich für einen Umsturz zu rüsten. Rechtsextreme wie Oberstleutnant Franco A. oder die Involvierung vieler Soldat:innen und Polizist:innen in die „Hannibal-Gruppe“ geben eine Ahnung davon, wie sich Rechtsextremismus inzwischen zu formieren weiß. 2019 gab es dem Militärischen Abschirmdienst zufolge 360 vorwiegend rechtsextremistische Verdachtsfälle bei der Bundeswehr. Ursula von der Leyen, damals Verteidigungsministerin, konstatierte 2017 ein „Haltungsproblem“ und „Führungsschwäche“. Die Bundeswehr dagegen wehrt sich vehement gegen einen Generalverdacht, was zumindest insofern in Frage zu stellen ist, als dass die Täter teils aus der Generalität kommen.

Politische Bildung unverzichtbar

Egal, jetzt ist Zeitenwende! Seit dem kriegerischen Angriff Russlands auf die Ukraine wird weltweit massiv aufgerüstet. Auch die Bundeswehr wird geboostert. Für mehr Wehrfähigkeit. Zur Abschreckung. Pazifismus ade? Nun, der etablierte Mix aus eigener Wehrfähigkeit und der Rückendeckung durch ein internationales Bündnis scheint zweckdienlich für eine Abschreckung, die, ganz im pazifistischen Sinne, (noch mehr) Kriege verhindert. Wenn dann noch durch politische Bildung – Haltung beginnt im Kopf – das geistige demokratische Fundament gepflegt wird: Picobello! Da ist es allerdings nicht zielführend, wenn man 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr an der Schuldenbremse vorbeimogelt, aber mit Verweis auf die Schuldenbremse in Aussicht stellt, ein Fünftel der Mittel für die Bundeszentrale für Politische Bildung zu kürzen. Wie alle staatlichen Institutionen bräuchte auch die Bundeswehr nachhaltige, umfassende Konzepte. Und einen wachen, freiheitlich-demokratischen Unterbau, dessen finanzielle Ausstattung nicht infrage stehen darf.


WER BEWACHT DIE WÄCHTER? - Aktiv im Thema

digitalcourage.de | Der Verein Digitalcourage setzt sich ein Informationsfreiheit und Datenschutz und diskutiert u.a. staatliche Überwachung und Vorratsdatenspeicherung.
bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/522238/verfassungsschutzbericht-des-bfv | Die Bundeszentraler für politische Bildung fasst wesentliche Ergebnisse des aktuellen Verfassungsschutzberichtes zusammen.
idz-jena.de/pubdet/wsd6-5 | Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) informiert unter dem Titel „Verdrängte Vergangenheit“ kritisch über den Umgang des Verfassungsschutzes mit rechtem Terror in den 70er und 80er Jahren.

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Hartmut Ernst

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