Owen Pallett widmet sich auf seinem neuen Album „In Conflict“ den unterschiedlichsten Zuständen des Wahnsinns. Der überkandidelte, aufgedrehte Kompositionsstil des kanadischen Violinisten passt vortrefflich zu den behandelten Identitätskrisen zwischen Liebesleid, Gender-Konflikt, Depression und Sucht. Mal lieblich und zart, mal mächtig pathetisch musiziert sich der Streicher-Arrangeur von Arcade Fire mit zahlreichen Gastmusikern durch die Themen des Albums. Synthesizer, Klavier und Geige gehören neben seiner ausdrucksstarken Stimme zum Klangarsenal (Domino). tUnE yArDs war das Soloprojekt von Merrill Garbus, bevor sie den Drummer und Bassisten Nathaniel Brenner hinzu holte. Auch das dritte Album „Nikki Nack“ lässt Garbus' Studienzeit in Afrika erahnen: Nervöse Rhythmen ziehen sich durch alle Songs, aber auch der Gesang erinnert an afrikanische Vokaltraditionen. Eine Art Indie-R'n'B erwächst hier, und mehr als einmal fühlt man sich bei dem Art-Pop an die Dirty Projectors erinnert (4 AD). Der Soundtrack zum Punk-Biopic „Good Vibrations“ versammelt Musik des gleichnamigen irischen Punklabels von Terri Hooley, darunter das legendäre „Teenage Kicks“ von The Undertones. Aber auch Einflüsse von Hank Williams und den Shangri-Las über Animals, Bowie und die Upsetters zu Suicide, The Saints und Stiff Little Fingers – alles Musik aus dem Film, finden hier Platz (Big Beat).
Kreidler haben ihr neues Album „ABC“ in Georgien aufgenommen. Kosmopolitisch war das Quartett schon immer, und so klingt auch „ABC“ nach einer unbestimmten Weltmusik. Obwohl die Beats langsam, schwer und dunkel klingen, vibrieren die Rhythmen luftig (bureau b). Das House-Projekt Hercules and Love Affair von Andrew Butler legt mit „The Feast of the Broken Heart“ das dritte Album vor. Weiterhin ist der deutlichste Bezugspunkt früher House der 80er Jahre. Auch die neuen Stücke sind Songs mit viel Vocals und guten Melodien. Die Produktion ist hingegen noch ein wenig straighter: Hier gibt es extrem knackigen Deep-House, der mit der Aggressivität von Techno flirtet. Ein Hit folgt dem nächsten (Moshi Moshi). Das fortschrittliche Londoner Bass Music-Label Hyperdub feiert mit der Compilation „Hyperdub 10.1“ sein zehnjähriges Jubiläum. Auf der ersten CD findet man 16 mal nagelneuen Dubstep, Post-Dubstep, Footwork und Ähnliches von DVA, Kuedo, Aushängeschild Burial oder Labelmacher Kode 9. Auf der zweiten CD gibt es eine kleine Retrospektive mit noch mal 17 Tracks, die die Explosion der Bass Music im letzten Jahrzehnt eindrucksvoll illustriert, ohne breitbeinig den Bass Drop zu zelebrieren. Hier geht es eher um feingliedriges Beatgestolper. Mit „Endless Summer“ hatte Fennesz 2001 ein Pop-Abstraktum erschaffen, das klang wie ein Blick in die flirrende Nachmittagssonne. Den Gegenlichteffekt verströmt auch der konzeptuelle Nachfolger „Bécs“, der mit verzerrten Melodien und Flächen einen Teppich der Glückseligkeit ausbreitet, ohne in offensichtlichen Kitsch abzugleiten. Ambivalenter Ambient, oder um es mit der Bezeichnung eines Kölner Labels zu sagen: Pop Ambient (Mego).
Für eine CD interpretiert das Langham Research Centre John Cages „Early Electronic and Tape Music“.Die Stücke aus den Jahren 1952 bis 1962 repräsentieren Cages radikale Hinwendung zum Prinzip des Zufalls – weg von der klassischen Komposition: Mit Radio Tonband, Synthesizern und Plattenspielern werden nach bestimmten Vorgaben klangliche Ereignisse (re)produziert. Die CD zeigt abermals, dass Cage mit seinen Geräusch-Experimenten seiner Zeit nicht um Jahre, sondern um Jahrzehnte voraus war (Sub Rosa).
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