Zwei Kölner Reporter werden derzeit in türkischen Gefängnissen festgehalten. Die deutsch-kurdische Sängerin Saide İnac (Künstlername Hozan Cane) wurde im Juli während einer Wahlkampfveranstaltung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP in der Türkei festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, Mitglied der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Die Anklage stützt sich vor allem auf angebliche Facebook-Inhalte. Der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci ist einer von mehreren Reportern der linken Nachrichtenagentur ETHA, die in Istanbul verhaftet wurden. Der Hauptvorwurf lautet Terrorpropaganda, dabei soll er nur zum Urlaub in der Türkei gewesen sein. In der Türkei werden immer öfter Künstler und Journalisten wegen Inhalten in sozialen Medien festgenommen.
Gestern, am Tag des Prozesses gegen Hozan Cane, fand ein Pressegespräch mit Kölner Journalisten, Angehörigen der Verurteilten und Aktivisten statt. Am 20. November wird der Prozess gegen Adil Demirci stattfinden, eine Gruppe von KölnerInnen und JournalistInnen wird am 19. in die Türkei reisen.
Wenige Minuten nach Beginn des Pressegesprächs kam die Mitteilung, dass Hozan Cane vom türkischen Gerichtshof zu 6 Jahren und 2 Monaten Haft verurteilt worden ist. Dilan Örs, Tochter von Hozan Cane, hatte bis zu Schluss noch Hoffnung, dass es nicht zu einem derartigen Urteil kommen würde. Doch auch jetzt, nach dem Urteil, zeigt sie kein Zeichen von Kapitulation. „Dieses Urteil werde ich nicht akzeptieren und kein Mensch der halbwegs logisch denken kann.“ Mehrfach wiederholt sie bestimmt, jedoch mit Tränen in den Augen: „Wir kämpfen weiter.“ In ihrer Stimme hört man die Fassungslosigkeit über die Entscheidung der türkischen Justiz. „Sie hat ihre Lieder der Unterdrückung gewidmet. Und das ist der Preis den sie dafür zahlen muss?“
Dilan Örs betont jedoch, dass das Schicksal ihrer Mutter kein Einzelfall sei. „Es ist nicht nur meine Mutter, um die es geht – so viele Künstler, Journalisten, Schriftsteller sitzen in der Türkei grundlos hinter Gittern.“ Ihr Appell an die türkische und deutsche Regierung lautet demnach: „Habt keine Angst vor den Stimmen einzelner Personen, diese Menschen können ihre Meinungen äußern, ihre Gedanken auf Papier bringen, ihre Lieder in ihren Muttersprachen singen. Davor sollte man keine Angst haben, man sollte solche Menschen umarmen, dafür, dass sie sich für Gerechtigkeit einsetzen.“
Und genau das, weiß Hermann Rheindorf, Sprecher von Arsch huh e.V. genau: „Menschen, die versuchen unter solchen Bedingungen künstlerisch tätig zu sein oder Informationen zu verbreiten, benötige besondere Unterstützung. Außerdem sind sie in unserer Gesellschaft Vorbilder.“
Der Bruder des angeklagten Reporters Adil Demirci, Tamer Demirci, hat noch Hoffnung auf das Fallenlassen der Anschuldigung. Die Festnahme seines Bruders wurde noch nicht bestätigt. Er erzählt, dass Adil zuversichtlich sei: „Meinem Bruder geht es den Umständen entsprechend gut, somit hoffen wir, dass er nächste Woche wieder hier ist.“
Adil Demirci war auch Beschäftigter beim Internationalen Bund. Anke Brunn, frühere Ministerin des Präsidiums des IB, und Sabine Skubsch, Vorsitzende des IB-Betriebsrats, stehen zu Adil: „Er ist einer von uns“, erklärt Anke Brunn. „Eine Meinung zu haben und für die Freiheit einzutreten, ist kein Verbrechen, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.“
Und eben diese Zivilcourage sei etwas, das wir in den heutigen Zeiten mehr bräuchten denn je, beteuert Günter Wallraff. Der Journalist und Schriftsteller gehört zur Gruppe derer, die selbst nach Istanbul fahren. Auch er ist sich sicher, dass Cane und Demirci unschuldig sind: „Da ist kein Schatten eines Verdachts.“ Somit fordere er die türkische Regierung auf, Hozan Cane unverzüglich freizulassen. Er weist allerdings darauf hin, dass man sich keinen falschen Illusionen hingeben dürfe: „Es ist ein Willkür-Regime, das nichts mit Justiz und Rechtsprechen zu tun hat, in dem die Justiz allein der verlängerte Arm eines Alleinherrschers ist.“ Er appellierte an die deutschen Politiker, die nun gefordert seien. Je größer die öffentliche Aufmerksamkeit, desto größer die Chance, dass sich die Politik für Fälle wie Hozan Cane und Adil Demirci einsetze.
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