Wenn der Herbst naht
Frankreich 2024, Laufzeit: 102 Min., FSK 12
Regie: François Ozon
Darsteller: Hélène Vincent, Josiane Balasko, Ludivine Sagnier
>> weltkino.de/filme/wenn-der-herbst-naht
Schwarzhumoriger Thriller
Nichts zu bereuen
„Wenn der Herbst naht“ von François Ozon
Pilzesammeln im Herbst: Die beliebte Freizeitbetätigung eignet sich wunderbar als Ausgangslage für schwarzhumorige Thriller. Zuletzt hatte Alain Guiraudie mit „Misericordia” für alle Cineasten ein Pilzomlette angerichtet, das es in sich hatte. Jetzt legt François Ozon nach: „Wenn der Herbst naht” beginnt mit einer kleineren Pilzvergiftung, die eine Verkettung der Ereignisse lostritt – auch bei Ozon wird gestorben. Bis es aber dazu kommt, entfaltet sich ein wunderbares Spiel zwischen zwei Frauen und ihren erwachsenen Kindern – das in vielem auch immer wieder an den Altmeister Claude Chabrol und seine abgründigen Provinzgeschichten denken lässt.
Michelle und Marie-Claude sind zwei ältere Damen, die auf dem Land ein beschauliches Rentnerinnendasein führen. Sie lieben den Kaffeeklatsch und das gepflegte Gläschen am Abend, gehen gerne zusammen in die Pilze. Als fideles Gespann sieht man sie mit Weidekörbchen durch die Waldlichtungen streifen – so harmlos und idyllisch darf alles beginnen. Bei Michelle (Hélène Vincent), die in einem kleinen, gemütlichen Häuschen mit üppigem Garten wohnt, legt sich bald etwas Verwunschenes, Kräuterhexenhaftes über ihre Figur. Das scheint sich zu bestätigen, als ihre Tochter Valérie mit dem Enkel zu Besuch kommt. Ludivine Sagnier gibt sie als kühle Blonde; sie ist eine Stammschauspielerin von Ozon und spielte im allerletzten Film von Claude Chabrol. Sie kann in ihrer Mutter nichts Pittoreskes finden und reist empört ab, nachdem mit dem Pilzgericht etwas nicht in Ordnung war.
Ein Mordvorwurf durch die Tochter ist bereits ein hartes Kaliber, es folgt auch noch der Enkelentzug, obwohl sich Lucas bei der Oma sehr wohl fühlt. „Mit unseren Kindern haben wir‘s versaut“, ist der trockene Kommentar von Maire-Claude (Josiane Balasko). Ihr kleinkrimineller Sohn wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen. Michelle gibt ihm einen Job als Gärtner, damit er ihr verwildertes Grundstück ein bisschen aufräumt. Und ohne ihr Wissen sogar für ein wenig emotionale Gerechtigkeit sorgt.
Die komplizenhafte Verbundenheit der alten Damen rührt von ihrer Vergangenheit als Prostituierte, die in der kleinbürgerlichen Gemeinde als großes Skandalon nachwirkt. Gerade die Darstellung der zwei Frauen in ihrem Lebensherbst, die nur auf den ersten Blick skurril und harmlos sind, unterscheidet sich wohltuend von den deutschen Senioren-Komödien. Ozon gibt ihnen nicht nur eine amoralische Vergangenheit, er lässt sie als selbstbewusste und zugleich sensible Menschen erscheinen. Mit ihrer Altersweisheit und mit allen Wassern gewaschen blicken sie leicht abgeklärt auf die Welt und haben sich dennoch ihre Verletzbarkeit bewahrt.
Ozon spielt dies mit einer Leichtigkeit aus, die auch melancholische Schwere zulässt. „Wenn der Herbst naht“ ist geprägt von einer gedämpften Heiterkeit im Wissen darüber, im Leben nichts als endgültig und auch nichts allzu schwer nehmen zu müssen. Der Lauf der Dinge, so sein Optimismus, entscheidet sich immer für das Gute im Menschen.
„Das Leben ist absurd, nicht der Film“
Regisseur Elmar Imanov über „Der Kuss des Grashüpfers“ – Gespräch zum Film 08/25
Jung-Bäuerinnen bei der Arbeit
„Milch ins Feuer“ im Odeon – Foyer 08/25
Drama, Baby?
Das Arthouse und der Schenkelklopfer – Vorspann 08/25
Gar nicht mal so stumm
Die Internationalen Stummfilmtage in Bonn 2025 – Festival 08/25
Sommergefühle
Leichte Kino-Kost im Juli – Vorspann 07/25
Im Abschiebegefängnis
„An Hour From the Middle of Nowhere“ im Filmhaus – Foyer 06/25
Fortsetzung folgt nicht
Serielles Erzählen in Arthouse und Mainstream – Vorspann 06/25
Wohnen im Film
Die Reihe Filmgeschichten mit „Träumen von Räumen“ im Filmforum NRW – Filmreihe 05/25
Der Filmfrühling ist angebrochen
Die erste Jahreshälfte startet mit bedeutenden Filmfestivals – Vorspann 04/25
Filmischer Feminismus
Das IFFF 2025 in Köln – Festival 04/25
Über die Todesangst
„Sterben ohne Gott“ im Filmhaus – Foyer 03/25
Alles für die Musik
Publikumspremiere von „Köln 75“ im Cinenova – Foyer 03/25
Schlechte Zeiten?
Merz im März und ernste Kost im Kino – Vorspann 03/25
Mit Trauer umgehen
„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25
Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25
Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25
Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
In die Sonne schauen
Start: 28.8.2025
Caught Stealing
Start: 28.8.2025
Wenn der Herbst naht
Start: 28.8.2025
22 Bahnen
4.9.2025
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Beule – Zerlegt die Welt
Start: 11.9.2025