Neruda
Chile, Argentinien, Frankreich, Spanien 2016, Laufzeit: 107 Min., FSK 12
Regie: Pablo Larraín
Darsteller: Luis Gnecco, Gael García Bernal, Mercedes Morán
>> www.neruda-der-film.de/
Unkonventionelles Filmporträt zwischen Imagination und Wirklichkeit
Anti-Biopic
„Neruda“ von Pablo Larraín
Aus Zuschauersicht sind Biopics zuweilen eine recht dröge Angelegenheit, scheinen sie doch nur oftmals nur ein Ziel zu haben: Die Academy vom Können ihrer Schauspieler zu überzeugen. Wenige Wochen vor der diesjährigen Oscar-Verleihung kommt der Chilene Pablo Larraín sogar mit zwei Filmporträts in die Kinos: „Jackie“ und „Neruda“. Und auf den ersten Blick scheinen die beiden Filme der bekannten Erfolgsformel zu folgen. Tatsächlich sind sie aber bemerkenswerte Variationen dieses Genres, wobei „Neruda“ der interessantere und mutigere Film von beiden ist. Luis Gnecca spielt den chilenischen Poeten und Kommunisten Pablo Neruda als korpulenten Lebemann mit Vorliebe für Frauen, Wein und Poesie, der in seinem Haus wilde Orgien feiert, auf denen er verkleidet Gedichte rezitiert, und nicht von fremden Frauen lassen kann, auch wenn seine Ehefrau daneben steht. Den Rahmen bildet, wie so oft bei dem gerade einmal 40-jährigen Pablo Larraín, der auch als filmisches Gewissen seines Heimatlandes gilt, die chilenische Politik.
„Neruda“ spielt Ende der vierziger Jahre zu Beginn der Präsidentschaft von Gabriel González Videla (Alfredo Castro). Als Verbündeter der USA hat dieser eine offene Jagd gegen Mitglieder der Kommunistischen Partei eröffnet. Einer seiner größten Feinde: der Senator Pablo Neruda. Die beiden liefern sich zunächst einen offenen Schlagabtausch. Doch als sich die Lage zuspitzt, muss Neruda untertauchen. Mit Hilfe von Parteigenossen und Freunden zieht er von einem Versteck zum nächsten, um schließlich über Argentinien nach Europa zu seinem Freund Pablo Picasso zu flüchten. So weit, so real. In Anlehnung an Nerudas Vorliebe für Kriminalromane inszeniert Larraín diese Flucht als abenteuerliche Verfolgungsjagd, angeführt von dem fiktiven Polizisten Oscar Peluchonneau (Gael García Bernal), dessen spitzer Kommentar den Film begleitet: „Kommunisten hassen es zu arbeiten. Lieber zünden sie Kirchen an. Das gibt ihnen das Gefühl, am Leben zu sein.“ Im Verlauf des Films kehren sich allerdings die Rollen der beiden um, und der Kommissar wird zunehmend zum Gejagten, der sich gegen seinen Part in der Erzählung des Autors wehrt. „In dieser Erzählung drehen wir uns alle um die Figur des Protagonisten“, heißt es einmal in einem Gespräch zwischen Pablo Nerudas Lebensgefährtin und Oscar Peluchonneau. „Es gibt eine Hauptfigur und eine Nebenfigur.“
Der Filmemacher spielt mit dem Größenwahn Nerudas, Literaturnobelpreisträger und chilenischer Nationalheld, dessen romantisierte Vorstellung eines politisch Verfolgten im Gegensatz steht zu der Lager-Realität seiner Parteigenossen („Möchtest du, dass sie dich finden?“ – „Nein, aber ich werde mich nicht unter dem Bett verstecken. Das muss eine wilde Jagd werden.“) und der mit dem Ende der Revolution vor allem eins verbindet: „Wir werden im Bett essen und in der Küche vögeln.“ Pablo Larraín selbst hat seinen Film als Anti-Biopic bezeichnet. „Neruda“ ist ebenso ein Anti-Politthriller und ein Anti-Gesellschaftsporträt.
(Simone Schlosser)
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