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Irina Palm
Deutschland/Belgien/Luxemburg/Großbritannien 2007, Laufzeit: 103 Min., FSK 12
Regie: Sam Garbarski
Darsteller: Marianne Faithfull, Miki Manojlovic, Kevin Bishop, Siobhàn Hewlett, Dorka Gryllus, Jenny Agutter, Corey Burke, Meg Wynn Owen, Susan Hitch, Flip Webster

In Sam Garbarskis zweitem Spielfilm nach "Der Tango der Rashevskis" stellt sich eine müde, reife Frau neuen Herausforderungen: Um ihr Enkelkind zu retten, heuert sie im Sex-Business an. Mitreißende, leise Komödie Marianne Faithfull steht momentan mehr in den Schlagzeilen als der Film, in dem sie die Hauptrolle spielt. Überall wird das Leben der Rock-Ikone der 70er auf Parallelen zu ihrer Rolle als Maggie untersucht. Dabei versteht sich Marianne Faithfull seit 1966 als Schauspielerin, und so wollen wir es mal einfach dabei belassen, dass sie hier - schauspielert. Vergangenheit hin oder her: Sam Garbarskis Spielfilm wird getragen von der zurückgenommenen, berührenden Performance seiner Hauptdarstellerin. Maggie lebt in einem biederen Londoner Vorort. Die verbleibende Energie ihres unausgefüllten Alltags steckt sie in die Unterstützung ihres kranken Enkelsohnes. Als die Ärzte die Rettung für das Kind nur noch in einer Operation im fernen Australien sehen und die Eltern sich den Flug nicht leisten können, macht sich Maggie auf Jobsuche und landet dabei in Soho in einem Sexclub, wo eine Hostess gesucht wird. Der kauzige Barbesitzer Miki (Miki Manojlovic) erklärt Maggie, dass sich der Job nicht durch putzen, sondern durch wichsen definiert: Es geht ums Hand anlegen ans andere Geschlecht via kreisrunde Löcher, die in der Wand einer entsprechenden Kabine eingelassen sind. Miki attestiert Maggie keine hübschen, aber geeignete Finger. Dies und keinerlei Aussicht auf Alternativen überzeugen sie, den Job anzutreten. Aus ihrer Begabung ergeben sich Berufskrankheiten und andere Konsequenzen, sowohl für ihr Umfeld als auch für Maggie selbst. Und ein Künstlername: Irina Palm. Ein Märchen aus dem Leben Sam Garbarski serviert eine Milieustudie, ein Sozialdrama, ohne dabei zu sehr an naturalistische Inszenierungen eines Ken Loach zu geraten. Die "tragikomische Seite des täglichen Lebens" zu zeigen ist Garbarskis Anliegen, und nicht eine "Reportage über die hässlichen Aspekte der Sex-Branche". Garbarski romantisiert dabei, nicht zuletzt durch die Beziehung zwischen Maggie und Miki. Authentisch hingegen mögen das gesellschaftliche Umfeld sein und die soziale Ungerechtigkeit, die sich im Schicksal des Enkelkindes spiegeln. Doch Garbarski erzählt weniger eine Geschichte aus dem Leben als ein Märchen und nähert sich damit irgendwie den Erzählungen von Jim Jarmusch, der ja inzwischen auch gern ältere Protagonisten auf die Reise ins Unentdeckte schickt. So befindet sich auch hier zu Beginn das Leben von Garbarskis Maggie im Stillstand, bis sie durch einen Impuls aufwacht und noch einmal reift. Auch stilistisch hält sich Garbarski gern mal an Jarmusch: Er hievt seine Figuren im nonverbalen Miteinander in triste Szenerien, platziert sie in filmische Stillleben, entlässt sie in die Schwarzblende, und das Schicksal seiner verlorenen Seelen unterlegt er mit minimierter Musik im rau schleifenden Loop. Reifer Anfänger Garbarski, sechs Jahre älter als Jarmusch, hat mit "Irina Palm" gerade seinen zweiten Spielfilm vorgelegt, und es fehlt ihm noch die klare Linie. Merkwürdig, bei einem 59jährigen Regisseur Anfängerfehler zu vermuten. Wie seine reife Heldin muss wohl Garbarski mit seinem neuen Job erst noch richtig warm werden. Inhaltlich und inszenatorisch sind somit gelegentliche Schnitzer offensichtlich: Da ist vor allem Maggies Sohn, der sich zum Ende arg konstruiert gegen die Mutter auflehnt, der Einsatz von Zeitlupe und sonstige optische Einfälle erscheinen zuweilen ähnlich unmotiviert. Insgesamt aber wird der Film die meisten Besucher berühren, und das ist letzten Endes ebenso der Verdienst des Regisseurs wie der seiner Hauptdarsteller. Der Film ging auf der diesjährigen Berlinale leer aus, doch am Ende dürfte die Begeisterung des Festival-Publikums die gespaltene Meinung der Kritiker mehr als ausgleichen.

(Hartmut Ernst)

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