Ein fliehendes Pferd
Deutschland 2007, Laufzeit: 96 Min., FSK 12
Regie: Rainer Kaufmann
Darsteller: Ulrich Noethen, Katja Riemann, Ulrich Tukur, Petra Schmidt-Schaller
Ein Paar trifft ein Paar. Unterschiede und divergierende Lebensmottos reißen Löcher ins angepasste Einerlei.
Letztes Jahr verfingen sich in „Sommer 04“ Martina Gedeck und Peter Davor als Paar an der deutschen Küste in dramatischen Verflechtungen von Schuld und Moral. Jetzt verschlägt es Helmut Halm (Ulrich Noethen) und seine Frau Sabine (Katja Riemann) an den Bodensee, wo es nicht minder stürmt: Inmitten biederen Strandgetümmels verbringt das angepasste Paar seine Ferien. Vor allem Helmut ist gequält gelangweilt von sich wiederholenden Beziehungsfloskeln. Er nutzt den Urlaub zum Rückzug in die Literatur oder als Beobachter von Taubentauchern. Da platzt sein Schulfreund Klaus (Ulrich Tukur) in die Idylle. „Ich bin independent!“ Klaus gibt sich up to date und betont jugendlich, die verführerische Helene (Petra Schmidt-Schaller) an seiner Seite verstärkt diesen Eindruck. Klaus wärmt zum Unmut Helmuts alte Geschichten auf und macht sich unverhohlen an Sabine heran. Das reißt die Wunden der abgestandenen Beziehung auf.
Bereits 1978 veröffentlichte Martin Walser, der „Geschichtsschreiber des Alltags“, die gleichnamige Novelle. Auch der Film beäugt die Strapazen der Midlife Crisis, vielmehr aber noch die fehlende Kommunikation inmitten brodelnder Konflikte, die erst durch das Erscheinen Dritter bzw. divergierender Lebensphilosophien gezündet wird: „Ich bin froh, dass das alles mal gesagt wurde“, wird Sabine resümieren. Dem gehen turbulente, schicksalhafte Tage am See voraus, in denen Noethen herrlich müde den Melancholiker mimt. Tukur verkörpert dagegen schon parodistisch den Geist der freien Liebe im Stromberg-Gewand. So stolpert Rainer Kaufmanns Film insgesamt ein wenig zwischen Drama und Satire. Er bewegt sich einerseits in netten Metaphern und ernüchternden Erkenntnissen, die auch nach 30 Jahren nicht angestaubt sind. Ebenso überrascht er aber mit albernen Zweideutigkeiten in sexuell aufgeladener Stimmung: „Hat jemand von euch Lust auf ne Latte?“, fragt Helene frivol, meint aber einen Milchkaffee. Das steht wohl nicht in der Buchvorlage. Insgesamt ein bewegender und unterhaltsamer Genre-Spagat.
(Carla Schmidt)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24