Die wundersame Welt des Louis Wain
Großbritannien 2021, Laufzeit: 111 Min., FSK 12
Regie: Will Sharpe
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Claire Foy, Taika Waititi
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Beseelt inszeniertes Biopic über einen berühmten Katzenzeichner
Prisma
„Die wundersame Welt des Louis Wain“ von Will Sharpe
Als 1880 sein Vater stirbt, ist Louis Wain gerade einmal zwanzig Jahre alt und fortan nicht bloß verantwortlich für das Wohl seiner Mutter, sondern auch für die Ernährung seine fünf jüngeren Schwestern. Eine Verantwortung, der Wain auch nicht nur annähernd nachzukommen vermag. Der unwirsch umtriebige Künstler und Erfinder meldet Patente an, versäumt aber, sich die Urheberrechte an seinem Werk zu sichern. Wain ist ein Kauz, ein Hampel. Und er ist ein Genie. Er verehrt die Elektrizität, sie hält alles zusammen, sie verkörpert für Wain Leben, Esprit, Energie. Wain hat in dem Zeitungsverleger Sir William (Toby Jones) einen warmherzigen Förderer, der ihm Aufträge zuschanzt. Wain fertigt Illustrationen, zeichnet Hunde für Lords und Ladies. Menschen zeichnet er grundsätzlich nicht. Alles ändert sich, als die Gouvernante Emily (Claire Foy) einzieht, um die Schwestern zu unterrichten: Wains Herz macht Sprünge, die beiden verlieben sich – entgegen der gesellschaftlichen Brüskierung und dem scharfen Protest der ältesten Schwester Caroline. Wain und Emily ziehen zusammen. Ein Katzenjunges läuft ihnen zu, er zeichnet es, und alles wird anders. Für Wain, die Menschen – und für Katzen.
Begnadet, befremdlich, schicksalsgeschlagen, schizophren: Louis Wain (1860-1939) führte ein aufreibendes Leben. Berühmt wurde er mit seinen Katzenbildern, und er war mitverantwortlich dafür, dass sich Katzen zur Jahrhundertwende zu Haustieren mauserten. Ein Leben wie ein Märchen. Ein Leben wie ein Trauerspiel. Regisseur Will Sharpe gelingt es ganz wunderbar, beides elegant zu vereinen. Der Reigen beginnt märchenhaft, wenn Sharpe seinen erneut famosen Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch als unsteten Kauz einführt, verschroben bis zum geht nicht mehr, ein Hampel wie Michael Palin in seinen besten Zeiten. Der Gegenpol: die Schwester. Ausgeburt an Strenge und Missgunst, Kälte, Blässe, Argwohn, Gram. Eine Grimm’sche Antagonistin par excellence. Doch das prallt ab an Wain, der Mann ist schlicht entwaffnend, und uns treibt er damit weiter die Lachtränen in die Augen. Dazu ein äußerst munterer Kommentar aus dem Off, der Wains unstete Life-Performance augenzwinkernd kommentiert. Was das Auge sieht, bekommt so auch das Ohr noch schelmisch mitgeteilt: Wain ist vielseitig talentiert, aber gänzlich ungeeignet für „weltliche Pflichten“. Auch wenn sich Trauma und Albträume andeuten, folgt, ganz klassisch der Narration des Märchens gemäß: die Liebe. Der Kauz und seine Gouvernante, die Scheue, das Ungeschick, das Verbot. Wain ist hin und weg – oder wie er es nennt: elektrisiert. Und schließlich dann: die erste Katze!
Nun mündet das wahre Leben an dieser Stelle mitnichten im verklärten Happy End, und weil die vermeintliche Mär in Wahrheit ein Biopic ist, bricht nun auch ungeschminkt die Bitterkeit des Lebens durch. Das Schicksal schlägt zu, und aus dem clownesken Kauz wird ein tragisch heimgesuchter Mann, der dem Leben kaum gewachsen ist. Doch auch das bleibt wunderbar wundersam, denn Will Sharpe gelingt der Bogen sanft und schleichend. Und so verliert selbst Bitterkeit nicht an Süße, der Film bewahrt seinen Zauber bis ins letzte Bild. Nur gewinnt er dabei fortlaufend an Tiefe und bricht vermeintliche Stereotypen auf.
Wain sagt, die einzige Regel der Kunst laute: „Look!“ Will Sharpe folgt ihm hier, er zeigt die Welt durch die Augen von Louis Wain. In einem 4:3-Rahmen, der deshalb ausgewählt scheint, weil das Format einem klassischen Gemälde am nächsten kommt. Tatsächlich zeichnen Sharpe und sein Kameramann Erik Wilson viele wundervolle Bilder hier. Bilder von Wains Wahrnehmung, von Wains Walten, von Wains Wahn. Und am Ende entlässt er uns, die wir uns eingangs bloß in einem Lustspiel wähnen, tief erfüllt, betroffen und berührt. Beseelt und ergötzt, inspiriert und bereichert. Erfüllt von Sehnsucht. Nach dem wachen Blick auf die Schönheit dieser Welt. Nach einer Katze.
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