Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Frankreich 2002, Laufzeit: 116 Min.
Regie: Dai Sijie
Darsteller: Zhou Xun, Chen Kun, Liu Ye, Wang Shuangbao, Cong Zhijun, Wang Hongwei, Xiao Xiong, Tang Zuohui, Chen Wei, Chen Tianlu, Fan Qing-yun, Su Wa, Yang Dandan
Zwei junge Männer verlieben sich während ihrer "Umerziehung" in einem chinesischen Bergdorf in ein gleichaltriges Mädchen, das nach dem Kontakt mit der westlichen Kultur, den sie ihr vermitteln, einen ganz eigenen Weg findet. Die chinesische Kulturrevolution, inszeniert als leichte Romanze Ein Stück von Mozart. Es wird nicht auf einer Konzertbühne gespielt, sondern erklingt in einem einsamen Dorf im chinesischen Phönix-Gebirge, während der Zeit der Kulturrevolution: Ma und Luo, zwei Söhne "bourgeoiser" Großstadt-Familien, hat es hierhin verschlagen. Sie erfahren ihre zwangsweise "Umerziehung" bei den "revolutionären" Bauern, weitab von jedem kulturellen Angebot, ohne Lektüre, ohne Film ? und eigentlich auch ohne "dekadente" Musik. Als der Dorfvorsteher die Geige zerschmettern will, spielt Luo eben jenes Mozart-Stück und verkauft es den unwissenden Landleuten als Hymne an den Vorsitzenden Mao. Die Geige ist gerettet, woraufhin nach und nach immer mehr Kultur in das Bergdorf Einkehr hält. Die beiden jungen Männer dürfen in die nächste Stadt fahren und einen nordkoreanischen Polit-Schmachtfetzen anschauen. Anschließend hört die ganze Dorfgemeinschaft ihrer Nacherzählung zu. In ihren Worten wird der Film zu einem herzergreifenden Melodram, und zum Abschluss gibt es für die Nichtsahnenden stets eine Darbietung aus dem Musikrepertoire der europäischen Klassik. Dann taucht ein Koffer mit verbotenen Büchern auf. Chinesische Übersetzungen von Balzac, Stendhal, Flaubert, Dumas. Da haben sich die beiden bereits in ein Mädchen aus dem Nachbarort verliebt, eine kleine Schneiderin; haben eine Höhle in den Bergen gefunden, wo sie sich heimlich treffen, um ihr aus den Romanen vorzulesen. Bald erzählen sie statt der Filminhalte lieber die Geschichte vom Grafen von Monte Christo. Doch fast wie bei Madame Bovary beginnt die sehnsuchtsvolle Lektüre bei der jungen Frau wie ein schleichendes 'Gift' zu wirken. Eines Tages muss sie aus ihrem bisherigen Leben ausbrechen...Der chinesische, in Paris lebende Schriftsteller Dai Sijie, hat sein eigenes autobiographisches Buch, das sich in Europa zum Bestseller entwickelte, am Originalschauplatz verfilmt. Somit dokumentiert er mit der ergreifenden Geschichte nicht nur ein dunkles Kapitel aus der Geschichte Chinas, sondern hält in seinen Bildern einen im wahrsten Sinne des Wortes untergehenden Schauplatz fest. Das Gebiet wird durch einen Staudamm am Yangze vollständig überflutet werden. 1,3 Millionen Menschen müssen umsiedeln. Ein neuer "kulturrevolutionärer" Akt für den "Fortschritt" und das größte Wasserkraftwerkprojekt der Welt? Das Werk von Dai Sijie darf bis heute in China nicht gezeigt werden.
(Heinz Holzapfel)
Pssst!
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