Entdeckte man als (männlicher) Jugendlicher in den Nuller Jahren sein sozialkritisches Bewusstsein, war „Fight Club“ das filmgewordene Initialerlebnis. Der Kultfilm mit Brad Pitt und Edward Norton setzte radikale Konsumkritik am postmodernen Kapitalismus in bildgewaltige Szenen und ikonische Zitate, die als Poster in keiner linken Studenten-WG fehlen durften („Alles was du besitzt, besitzt irgendwann dich“; „Erst wenn wir alles verlieren, haben wir die Freiheit alles zu tun“). Wir erinnern uns: Der namenlose Erzähler, der an ausgewachsener Sinn- und Schlaflosigkeit leidet, macht Bekanntschaft mit dem charismatischen Tyler Durden. Und zieht in dessen Haus, eine besetzte Bruchbude, nachdem seine eigene Wohnung in Flammen aufgeht. Durden überzeugt den apathischen Normalo von der verabscheuungswürdigen Existenz in einer auf Selbstoptimierung basierenden Lebenswelt. Die beiden gründen einen Fight Club, in dem regelmäßig Prügeleien zwischen ähnlich orientierungslosen Männern stattfinden. Selbstzerstörung, statt Selbstoptimierung, der Schlag in die Magengrube als Alternative zur narkotischen Entfremdung vor dem Fernseher. Der Fight Club wächst schließlich zum faschistischen Projekt „Chaos“ aus, der nicht nur die herrschende Ordnung zum Einsturz bringen möchte, sondern auch, durch einen spektakulären Plot-Twist, den bisherigen Handlungsverlauf.
Das Theater der Keller widmet sich dem Stoff, der auf dem Roman von Chuck Palahniuk zurückgeht, nun in einer Schauspiel- und Tanzperformance. Eigentlich logisch, sagt Tyler Durden an einer Stelle doch selbst: „Du bist der singende und tanzende Abschaum der Welt.“ Regisseur Heinz Simon Keller präsentiert Fight Club als minimalistisches Kammerspiel. Volle Aufmerksamkeit gilt dem umstürzlerischen Duo (Erzähler: Tim-Fabian Hoffmann, Tyler Durden: Jean-Luc Bubert), dessen schizophrene Zweisamkeit durch die beiden Tänzer Adrián Castelló und Emmanuel Edoror ergänzt wird. Marla Singer, die einzige, aber entscheidende Frauenfigur, wird von der herausragenden Karen Dahmen gespielt. In akrobatischen Einlagen stoben die beiden Tänzer über die Bühne und verleihen vor allem den Kampfszenen eine intensive Körperlichkeit. Die Sprechakte werden immer wieder durch Projektionen auf die große Leinwand im Hintergrund unterbrochen. Ästhetisch irgendwo zwischen „Terminator 2“ und Prodigy-Musikvideo angesiedelt, bilden sie den Rahmen für das Ensemble, um mehr stampfend als tanzend über die Bühne zu wüten.
Inhaltlich legt Regisseur Keller den Fokus auf das Männerbild, das „Fight Club“ verhandelt. Die orientierungslosen Milchgesichter aus Buch und Film sind hier auf der Bühne toxische Irrlichter auf dem Weg zu Selbst- und Weltzerstörung. Eine patriarchale Suche nach alten Männlichkeitsidealen wird illustriert. Schon ganz am Anfang zappeln die Tänzer ziellos über die Bühne, während die Projektion im Hintergrund verkündet: „Männer bleiben Männer.“ Keller trifft da einen Punkt: Es ist schon fragwürdig, dass Tyler Durden von so vielen als Held gefeiert wird, während er als faschistischer Verführer mit archaischen Vorstellungen von Männlichkeit durch die Welt marodiert. Doch die Fokussierung auf das fragwürdige Männerideal zieht der immer noch hockaktuellen Konsumkritik den Zahn. Durden erscheint als klamaukiger Angry White Man, dessen kritischer Impetus von vornherein unterlaufen wird. Wenn er dann auch noch darüber sinniert, die Welt durch Fake News und CO2-Ausstoß ins Chaos zu stürzen, mutet der Revoluzzer als Stichwortgeber für Leute wie Höcke und Trump an. „Fight Club“ findet im Theater der Keller so zwar zu einer beachtenswerten Bildsprache, bietet aber eine verkürzte Lesart seines Stoffes an.
„Fight Club“ | R: Heinz Simon Keller | 14., 15.2., 13., 14., 27., 28.3., 10., 11.4. je 20 Uhr | Theater der Keller (TanzFaktur) | 0221 272 20 990
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