choices: Frau Rühle, wie nehmen Sie in Brüssel die breite Ablehnung der Wasserprivatisierung wahr?
Heide Rühle: In Frankreich gibt es sehr viele Korruptionsfälle in der privaten Wasserwirtschaft, gleichzeitig werden dort und in Deutschland viele Konzessionen neu vergeben. Angesichts der Skandale sind viele Gemeindevertreter mittlerweile sehr skeptisch. Und in dieser Situation soll die Richtlinie zur Ausschreibung der Wasserversorgung zwingen. Damit reagiert sie auf sinkende Gewinnmargen des privaten Wassersektors. Europa ist z. B. der Hauptmarkt für Veolia und Suez, und wenn Frankreich wegbricht, wäre das für sie ein substantieller Verlust.
Am 21. Februar kündigte EU-Kommissar Michel Barnier eine Neufassung der umstrittenen Richtlinie an, die weitaus weniger kommunale Unternehmen betreffen würde. Ist diese Neufassung schon erfolgt?
Die Kommission hat bisher keine Änderungen vorgelegt. Ich bin gespannt, ob diese noch kommen, oder ob das eine reine Ankündigungspolitik war. Sie haben uns bereits im Dezember eine Änderung vorgelegt, die angeblich mit der deutschen Wasserwirtschaft abgesprochen war, was nachweislich nicht stimmte. Vielleicht legt der Kommissar jetzt endlich etwas vor, was die Weiterexistenz von Mehrspartenstadtwerken erlaubt. Brüssel sollte nicht entscheiden, in welcher Form ein Stadtwerk strukturiert ist.
Gab es viel Hintergrundlobbyismus bei dieser Richtlinie?
Solche Initiativen werden natürlich mit der zuständigen Industrie und den Mitgliedsstaaten vorher besprochen, das Parlament bekommt erst danach den Vorschlag. Eine Grünbuch- oder eine Weißbuch-Initiative wäre transparenter. Bei der Konzessionsrichtlinie wurde das nicht gemacht, weil fast alle Betroffenen diese Richtlinie abgelehnt haben.
Wie erklären Sie sich diese breite Ablehnung?
Die Richtlinie macht alles viel schwieriger. Sie greift in Dinge ein, die auf europäischer Ebene nur schwer zu harmonisieren sind. Wir haben von Anfang an auf die Probleme hingewiesen und die Kommission aufgefordert, die Auswirkung der Gesetzgebung zu untersuchen, was sie aber nur oberflächlich gemacht hat.
Was kann das Europäische Parlament denn jetzt noch tun?
Wenn eine Gesetzgebung erst einmal auf dem Tisch liegt, ist es sehr schwierig, im Parlament eine Mehrheit für die Ablehnung zu bekommen. Die Fraktion, die die Federführung übernommen hat, möchte selbstverständlich nicht, dass ihre Arbeit umsonst ist. (Deshalb kann man fast immer Mehrheiten finden.) Im Jahr zuvor hat das Plenum noch bei meinen Berichten fast einstimmig diese Richtlinie abgelehnt. Aber als dann die Gesetzesvorlage kam, war der Widerstand zusammengebrochen.
Würde eine Registrierungspflicht für Lobbyisten helfen?
Das gibt es bereits. Alle Lobbyisten im Ausschuss für die öffentliche Vergabe müssten sich eigentlich registrieren. Aber weil die Registrierung freiwillig ist und nicht kontrolliert wird, sind es zwei Drittel nicht. Eine Überarbeitung dieser Registrierung würde ich unterstützen.
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