Warum beleuchten die erfolgreichen Biopics, wie etwa „Walk the Line“, das Leben, die Beziehungen, die Drogenprobleme und Schaffenskrisen der Stars, vermitteln aber so gut wie gar nichts darüber, was die Protagonisten einzigartig macht – ihr Schaffen, ihre Kunst? Inhaltlich sind derlei Spielfilme geradezu austauschbar. Mit Preisen überhäuft werden sie für die gute Performance der Darsteller, mitnichten aber dafür, dass sie etwas über das Werk des Künstlers erzählen. Was ging in Johnny Cash vor, als er „Walk the line“ komponierte, was waren die Impulse zu seinen Melodien? Warum erfährt der Kinozuschauer nichts darüber?
Das Geheimnis meines Erfolgs
Die Antwort erscheint profan: Es interessiert ihn nicht, und ebenso wenig den Filmemacher. Der Film, sei es Spielfilm oder Doku, nähert sich dem Menschen scheinbar bevorzugt biografisch. Was jedoch im Kopf des Musikers, des Malers oder Literaten vorgeht, wenn er gerade kreativ ist, das bleibt ein Geheimnis. Dies mag natürlich auch einer gewissen Eitelkeit des einen oder anderen Kreativen geschuldet sein, der das Geheimnis seines Erfolgs nicht preisgeben will – was ja durchaus legitim ist. Warum man ihm dann einen abendfüllenden Film widmet, ist eine andere Frage. Vielleicht vermag es der Künstler auch einfach nicht, sein Schaffen, die Kreativprozesse in Worte fassen. Wie oft werden Ideen aus dem Bauch heraus geboren, entstehen intuitiv, nicht nachvollziehbar, nicht verbalisierbar? Nun, auch eine unbefriedigende Antwort wäre eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Künstlerseele – nur werden die Künstler meistens gar nicht erst danach gefragt. Und so werden Filme produziert, die „Gerhard Richter Painting“ heißen und genau das zeigen: Wie Gerhard Richter malt und welcher Technik er sich momentan bedient. Warum er aber den Pinselstrich setzt, bei dem er gerade gefilmt wird, welche Impulse sein Schaffen begleiten, was ihn im Moment inspiriert – bleibt unergründet.
Hin und wieder jedoch widmen sich Filmemacher solchen Fragen und haben zugleich das Glück, an einen Künstler zu geraten, der sich völlig uneitel Fragen nach Impulsen, Kreativprozessen und dem eigenen Kunstverständnis öffnet, der darüber hinaus entsprechend selbstreflektiert ist und sich zu guter letzt auszudrücken vermag. Richard Deacon ist so einer, und „Richard Deacon – In Between“ ist so ein Film. Ein Dokumentarfilm, in dem sich der Künstler völlig uneitel öffnet und von seiner Arbeit erzählt, von seiner Philosophie. In der er anschaulich das Selbstverständnis seiner Kunst erklärt und seine Person als Künstler. Na bitte, es geht doch!
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