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William Boyd
Foto: Trevor Leighton

Eine Fotografin wie es noch keine gab

11. März 2016

William Boyds Roman „Die Fotografin“ – Literatur 03/16

Im Grunde ist sie so alt wie die Fotografie. Am 7. März 1908 wird Amory Clay geboren. In der Geburtsanzeige ist vorschnell von einem Sohn die Rede, tatsächlich handelt es sich um ein Mädchen. Kein Zweifel, wenn man das Foto von ihr im Badeanzug sieht, das 20 Jahre später gemacht wurde. Zwar ist die Fotografie eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, aber zunächst fotografiert man so, wie man zuvor malte, erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts offenbart sich die unerhört künstlerische Dimension dieses Mediums. So heißt der neue Roman von William Boyd denn auch „Die Fotografin“, da der Engländer ein doppeltes Spiel betreibt. Wir gehen mit Amory durch das Jahrhundert auf ihrem Lebensweg und bekommen zugleich eine Geschichte der Fotografie geliefert.

Da Boyd ein Meister der Verstellung ist – möglicherweise der würdige Nachfolger des in der literarischen Spionage unübertroffenen John le Carré – liefert uns das Buch sogar die Fotografien von Armory Clay. Wie ist das möglich, ist sie doch eine Romangestalt? Zum einen erzählt sie mit der Stimme von Boyd derart lebendig, dass man sich diese kluge, neugierige und bodenständige Frau mit ihrem interessanten Liebesleben sofort leibhaftig vorstellen kann. Im Grunde sogar deutlicher durch den Text als es der Realismus der im Buch enthaltenen Bilder vermag. Zum anderen sind die Bilder eigenhändig von Boyd gesammeltes Material. Eine charmante Angelegenheit, da sich die Fotos wie vergessene Fotos von den Negativstreifen der Stars wie Erwin Blumenfeld oder Robert Capa ausnehmen. Am Ende des Romans findet sich dann noch ein Dank an 32 große Fotografinnen und Journalistinnen, die dem Medium im 20. Jahrhundert ihren Stempel aufgedrückt haben und deren Lebensgeschichten das Material für Armorys Biografie bilden. Von Margaret Bourke-White über Annemarie Schwarzenbach bis zu Diane Arbus erstreckt sich diese Perlenkette der Namen. Vor allem scheint Stoff aus dem Leben von Martha Gellhorn und noch viel mehr aus Lee Millers Biografie eingegangen zu sein.

Wir erleben, wie Armory an der Kanalküste aufwächst. Wie sie gleich einem Wunder einen Autounfall überlebt, den ihr Vater absichtlich herbeiführt. Wir gehen mit der jungen Frau, die ihre ersten Experimente mit der Kamera und mit den Männern macht, ins Berlin der 20er Jahre, sind Zeuge des Skandals, den ihre pornografischen Bilder aus Berlin in London verursachen. In New York, wo sie eine Affäre mit einem Verleger in die Welt der Illustrierten katapultiert, entfaltet sich die journalistische Seite der Fotografie. Nach ihrer Rückkehr nach London gerät sie mit der Kamera in eine Demonstration und wird von den englischen Faschisten übel zugerichtet. Die Demo ist überliefert, ebenso wie die Jahre in Paris mit den Fotoreportern von Magnum oder der Einsatz mit den englischen Truppen in Wesel am Niederrhein oder Jahrzehnte später ein Trip nach Vietnam.

Boyd lässt sie immer haarscharf neben dem Zeitgeschehen agieren, trotzdem reduziert sich sein Roman nicht zu einem Staffellauf durch die Historie. Auch wenn „Die Fotografin“ nicht das Kaliber Boyds großer Erfolge wie „Ruhelos“ oder „Einfache Gewitter“ besitzt, bereitet der Roman seinen Lesern doch ein köstliches Vergnügen. In Armory Clay hat man sich sofort verliebt, gerade weil sie nicht perfekt ist, manche Niederlage einstecken muss, dafür besitzt sie umso mehr weibliche Ausstrahlung, durchschaut die Männer und liebt sie, ohne deshalb etwas von sich selbst aufzugeben. Gerade diese letzte Eigenschaft macht sie zu der Person, der man gerne folgt, bis zum Schluss, der eigentlich aus ihrem Tod bestehen müsste. Belaufen sich ihre Lebensdaten doch auf die Zeit von 1908 bis 1983, gleichwohl wartet William Boyd noch einmal mit einer herrlichen Überraschung auf. Einzige Trübung des Leseglücks bleibt das Cover des Buches. Hatte der Verlag doch über die Jahre eine markante Aufmachung für Boyds Werke gefunden, so schert er diesmal aus und zeigt uns ein weichgespültes Foto, wie man es auf einem nichtssagenden Trivialroman finden könnte. Egal, schlägt man die ersten Seiten auf, finden sich auch schon die raffiniert platzierten Bilder.

Auf der lit.Cologne wird William Boyd am 16. März um 18 Uhr seinen Roman im WDR Funkhaus vorstellen.

William Boyd: Die Fotografin | Deutsch v. Patricia Klobusiczky und Ulrike Thiesmeyer | Berlin Verlag | 558 S., zahlr. Abb. | 24 €

Thomas Linden

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