Das Zitat könnte für Irritation sorgen: „Ich liebe das Schneiden, es ist ein Teil meines Wesens.“ Wer spricht da? Und über was? Ein Blumenhändler vielleicht, ein Modemacher, oder ein Metzger? Die Worte stammen von Norbert Herzner. Von Beruf ist er nichts von alledem. Er ist ein Kreativer wie der Modemacher, und vor vielen Jahren hat wohl auch mal eine Schere in seinem Beruf eine Rolle gespielt, aber das ist nun schon fast 100 Jahre her. Herzner ist Schnittmeister beziehungsweise Cutter. Seit Beginn des Jahrhunderts wurde die Berufsbezeichnung entsprechend des technisch veränderten Berufsbildes durch die Digitalisierung in Editor umbenannt. Der Editor meist unabkömmlich für die Entstehung eines Filmes (die in einer Einstellung gedrehten Filme sind zu vernachlässigen). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schnitt „unsichtbar“ ist, also möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich lenkt, oder im Gegenteil eine künstlerisch betonte Präsenz zeigt.
Norbert Herzner erhält in diesem Jahr den Ehrenpreis Schnitt des Kölner Festivals für Filmschnitt und Montagekunst – Filmplus. Das Festival ist zugleich Branchentreff für ein Gewerk, das auch in der Filmbranche meist im Schatten steht. Herzners erster Film war 1973 „Tschetan, der Indianerjunge“, das Debüt von Hark Böhm. Filme von May Spils mit Werner Enke folgten, in den 80er Jahren arbeitete er an großen Publikumserfolgen wie „Abwärts“ (1984) mit Götz George oder „Out of Rosenheim“ (1987) mit Marianne Sägebrecht. 1992 editierte er Carl Schenkels Thriller „Knight Moves“ mit Christopher Lambert mit „Avid“. Damit montierte er als weltweit erster Filmeditor einen langen Spielfilm digital mit dem heutzutage längst als Standard geltenden System. Inzwischen hat Herzner mehr als 50 Fernseh- und Kinofilme editiert. Auch als Sounddesigner tat er sich hervor – so unter anderem 1986 für die Umberto-Eco-Verfilmung „Der Name der Rose“ mit Sean Connery. Ob Bild oder Ton – dass das Schneiden Teil seines Wesens ist, glaubt man ihm nach 45 Jahren Berufserfahrung auf‘s Wort. In einem Werkstattgespräch wird er ausführlich über seine Arbeit sprechen, zur Eröffnung des Festivals wird „Out of Rosenheim“ in einer neuen, 4K-restaurierten Fassung zu sehen sein, die erst im Mai in Cannes seine Premiere hatte.
Auch jenseits des Ehrenpreises gilt bei Filmplus der Montage die volle Aufmerksamkeit. Im Zentrum stehen neben dem Ehrenpreis die Schnittpreise für Dokumentarfilm und Spielfilm sowie der Förderpreis, die die diesjährige Jury aus jeweils fünf vorausgewählten Filmen prämiert – darunter „Transit“ von Christian Petzold (Montage: Bettina Böhler), „Herrliche Zeiten“ von Oskar Roehler (Montage: Peter R. Adam) oder der Dokumentarfilm „Bruder Jakob“ (Montage: Yana Höhnerbach) des Kölner Filmemachers Elí Roland Sachs. Alle Filme werden auf dem Festival gezeigt, anschließend finden Gespräche mit den EditorInnen statt. Neu in diesem Jahr ist das International Film Editors Forum, bei dem EditorInnen aus elf Ländern zu einem intensiven, vierstündigen Austausch über berufspolitische und filmgestalterische Themen zusammenkommen. Das BVFT Filmton-Panel widmet sich in einem Werkstattgespräch außerdem der Tonebene.
Filmplus – Festival für Filmschnitt und Montagekunst | 26. - 29.10. | Filmforum, OFF Broadway | www.filmplus.de
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