Mittwoch, 15. Juni: Zum ersten Mal überhaupt war in der traditionsreichen Veranstaltungsreihe „ifs-Begegnung“ im Filmforum ein fürs Fernsehen entstandener Dokumentarfilm Gegenstand des Filmgesprächs. Dies moderierte in diesem Fall die künstlerische Leiterin des Schnittfestivals „Filmplus“, Kyra Scheurer, die dort als Kuratorin für Dokumentarfilme fungiert. Als Gast begrüßte sie den in Tönisvorst geborenen Regisseur und Editor Calle Overweg, der seinen 40-Minüter „Schütze Singh“ vorstellte, der 2014 für die 3sat-Reihe „Ab 18!“ entstanden war. Der Filmemacher hat darin die Ambitionen des 17jährigen Sahab Singh festgehalten, der nach dem Abitur die Offizierslaufbahn bei der Bundeswehr einschlagen wollte, um damit die militärische Tradition seiner Sikh-Familie fortzuführen. Overweg erläuterte, dass die Prämisse der Reihe, den Regisseuren eine eigene Handschrift zuzugestehen, durchaus erfüllt war, da er sehr gut mit den 3sat-Redakteuren zusammenarbeiten konnte und auch beim Feinschnitt große Freiheiten hatte.
Overwegs Probleme entstanden an ganz anderer Stelle, nämlich schon während der Dreharbeiten. Denn die Bundeswehr legte ihm hier etliche Hürden in den Weg, einige der Unteroffiziere vergriffen sich regelrecht im Ton, um ihm klarzumachen, dass sie nicht gefilmt werden wollten. Da Calle Overweg seinen Protagonisten Sahab Singh schon gefunden hatte, als dieser erst noch mit dem Gedanken einer Militärlaufbahn spielte, wurde insbesondere Singhs tatsächliche Einheit schließlich vor vollendete Tatsachen gestellt, da sie die Drehgenehmigung Overwegs von oben herab aufgezwungen bekamen. Daraus entstanden in letzter Konsequenz auch „Ressentiments der Ausbilder gegen Sahab selbst, da er das Filmen indirekt verursacht hatte“, so der Filmemacher. Dadurch wurde das Scheitern des jungen Mannes schon sehr früh spürbar, insbesondere nun im fertigen Sendebeitrag, der nach Analyse Scheurers eine klassische Dreiaktstruktur aufweist, die sich sogar sekundengenau in „Schütze Singh“ festmachen lässt. Overweg selbst zeigte sich angesichts dieser Fakten überrascht: „Darüber bin ich jetzt sehr erstaunt, so genau war das gar nicht geplant. Das habe ich alles eher intuitiv gemacht.“ Dass er als Regisseur seinen Film nicht nur produzierte und filmte, sondern am Ende auch den Schnitt selbst vornahm, sei schlicht der Ökonomie geschuldet, da er auf diese Weise mehr an seiner Arbeit verdienen konnte. Gleichwohl holte er sich bei „Schütze Singh“ mit der Regisseurin Judith Keil, für die er zuvor die Dokumentation „Land in Sicht“ geschnitten hatte, eine dramaturgische Beraterin mit an Bord. Overweg war es wichtig, von ihr strukturelle Tipps zu erhalten, zumal man bei der intensiven Beschäftigung mit dem Material irgendwann den „Blick des Unbedarften“ verliere, was zum Verständnis der gezeigten Abläufe aber mitunter unerlässlich sei.
Mit dem Ergebnis zeigte sich Calle Overweg im Gespräch zufrieden, obwohl sein Film nicht so geworden sei, wie er ihn zunächst geplant habe. Es wäre zwar nicht viel Material unter den Tisch gefallen, aber der Regisseur merkte sehr schnell, dass Singh die Ernsthaftigkeit für eine Karriere beim Militär fehlte. Schon nach drei Tagen hätte dieser die Bundeswehr eigentlich wieder verlassen wollen, was er erst nach Protesten seines Vaters wieder verwarf. Mittlerweile hat Singh aber seine wahre Bestimmung gefunden, da er nun an der Hamburger Universität ein Lehramtsstudium begonnen hat. Calle Overweg arbeitet derzeit an einem Kinofilm mit Katja Fedulova, in dem die beiden drei russische Frauen porträtieren wollen, die dem märtyrerischen Konzept von „Glaube, Hoffnung, Liebe“ entsprechen sollen. Für „Glaube“ haben sie eine ultraorthodoxe Frau ins Auge gefasst, für den Bereich „Hoffnung“ ist bereits ein Transmann gefunden, also ein Transgender, der eine Frau-zu-Mann-Angleichung durchführen ließ. Lediglich die Protagonistin für den Komplex „Liebe“ steht noch nicht hundertprozentig fest, hier liebäugeln die beiden Filmemacher mit dem Porträt einer enthusiastischen Putin-Verehrerin. Man darf schon jetzt auf den fertigen Film gespannt sein.
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