„Sie sehen vor sich einen glücklichen Museumsdirektor.“ Glücklich war Yilmaz Dziewior nicht nur wegen des großen Medieninteresses oder der Ausstellung an sich, sondern weil er eine „ewige Schenkung“ von über 200 Fotografien deutscher und amerikanischer Fotografen präsentieren durfte, einen einmaligen Schatz, der die Fotosammlung des Museums hervorragend ergänzt und aufwertet. Der Kölner Rechtsanwalt Prof. Dr. Kurt Bartenbach und seine Frau Ursula sammeln seit 30 Jahre systematisch Fotografien, die sie, wie Bartenbach charmant berichtete, zu Hause und seiner Kanzlei immer wieder umhängten, ohne das Konvolut jemals in toto gesehen zu haben.
Eingefädelt wurde der Kunst-Deal bei einer Party zum 50. Geburtstag von Dziewior; der Jubilar wollte Bartenbach dessen ausgefallene Krawatte abluchsen, und am besten seine große Fotosammlung gleich mit. Der stimmte nach längerem Abwägen schließlich zu, ganz in der Tradition der Kölner Kunstmäzene wie Rautenstrauch, Ludwig, Sander, Haubrich – direkt aus der Mitte der Bürgergesellschaft. Wenn gleich sich die Stadt damit immer mal arg schwer tut, denkt man den immer noch nicht erfolgten Anbau am Wallraf-Museum oder die kläglich gescheiterte Erweiterung am Stadtmuseum. Egal; hier lief es deutlich besser.
Die Kuratorinnen Dr. Barbara Engelbach und Dr. Miriam Halwani, die von einem „unfassbaren, lebendigen Geschenk und einer profilierten Sammlung“ sprachen, durften sich satte drei Jahre Zeit nehmen, um die Fotos zu sichten, zu ordnen und für die Ausstellung zu katalogisieren. Zum Ergebnis und der Ausstellung meinte der in Köln lebende Spender charmant, dass er jetzt erst gemerkt habe, was er eigentlich da alles gesammelt habe.
Die Bilder der 18 Lichtkünstler, darunter Schwergewichte wie August Sander, Florence Henri, Lee Friedlander oder Garry Winogrand sind nach ihren Urhebern sortiert; darunter auch die reizvollen Ansichten der klassischen „Büdchen“ von Tata Ronkholz, Fotos von Boris Becker (Ziegenstall), der Junge auf dem Straßenfest in Berlin von Gabriele und Helmut Nothhelfer (Titelbild), Karl Hugo Schmölz mit der Kölner Bahnhofsbuchhandlung und Nachkriegs-Stadtansichten, das Auge einer 17-Jährigen von August Sander. Dazu Walker Evans, dessen Fotos auch im MOMA in New York hängen (Subway Passengers in New York). Geschickte Kompositionen von Menschen, Sachen, Gebäuden, Gegenden, alles hochspannend und bei einem einzigen Besuch auch nicht annähernd zu erfassen. Dazu viele Serien an Bildern, die in der Folge innerlich zusammenhängen.
„Bilder sind erzähltes Leben“, so Bartenbach, der auf die Frage eines Journalisten gestand, selbst gar nicht zu fotografieren, gleichzeitig aber auf seine Frau und insbesondere auf die beiden Töchter verwies. Das Sammeln sei für ihn eine Sucht geworden, zumal er selbst früher Fotos nichts habe abgewinnen können, er habe sie nur „zur Kenntnis genommen“. Inzwischen sehe er das Fotografieren aber als eine „teilnehmende „Beobachtung“, zu einem bestimmten Zeitpunkt und gewählter Perspektive eine Situation festzuhalten. Man müsse lernen, Fotos mit gleicher Aufmerksamkeit wie Gemälde zu betrachten. Sie seien nicht nur ein Abbild der Wirklichkeit, sondern ein gestaltetes Bild.
Der Ausstellungstitel „Doing the Document“ soll die Gegensätze und Synergien versinnbildlichen: Den Vorgang des Fotografierens (Doing) und das Ergebnis. Da kommt die ewige Diskussion um die Fotokunst auf: Wo endet das Dokument, wo beginnt der künstlerische Teil?
Erschienen ist ein sehenswerter Katalog mit allen Bildern und einem umfangreichen Interview der Sammler mit den beiden Kuratorinnen (25 € im Museum).
Doing The Document. Fotografien von Diane Arbus bis Piet Zwart | bis 6.1.19 | Museum Ludwig | www.museum-ludwig.de
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