Vom 19. bis 29. August findet das 7. Klimacamp im Rheinland statt. Dieses Jahr gib es dort zeitgleich die Degrowth-Sommerschule und das Aktionslabor, und es heißt wieder: vernetzen, bilden und gestalten, mit internationalen Referenten, u.a. aus Ecuador und Nigeria. Wir werden am Tagebau Garzweiler vor Ort sein und berichten. Am 17. September werden dann in Köln und sechs weiteren Städten Großdemonstrationen gegen TTIP und CETA stattfinden. Klimagerechtigkeit und Freihandelsabkommen sind verknüpft mit dem aktuellen Schwerpunktthema Ungleichheit. Ein Gespräch mit Politikwissenschaftler Alexis Passadakis von Attac.
choices: Herr Passadakis, Sie waren 2008 in Hamburg Mitorganisator des ersten Klimacamps in Deutschland. Auch in diesem Jahr sind Sie wieder dabei. Warum ist das Klimacamp relevant und einen Besuch wert?
Alexis Passadakis: Das Camp findet statt, um Wege gegen die Klimakrise zu finden. Die letzten Zahlen haben gezeigt, dass die Klimaerwärmung massiver voranschreitet, als ohnehin schon erwartet wurde. Das Rheinische Braunkohlerevier ist der CO2-Hotspot in Europa. Braunkohle ist der Energieträger, der am meisten CO2 emittiert und damit der schmutzigste Energieträger überhaupt. Das bedeutet, dass nirgendwo so viel emittiert wird, wie im Rheinischen Braunkohlerevier. Deswegen wird hier mit Protest und Aktion gegen den Braunkohleabbau vorgegangen, und an diesem Ort findet auch das 7. Klimacamp statt.
In diesem Jahr ist besonders, dass trotz des mit viel Pomp gefeierten Klimavertrags von Paris in der Bundesrepublik ein klimapolitisches Rollback vollzogen wird. Das erneuerbare Energiengesetz wird von der CDU- und SPD-Regierung unter Wirtschaftsminister Gabriel geschreddert. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie wird massiv abgebremst. Viele haben den Eindruck, dass die Energiewende einfach läuft. Das ist aber mitnichten so. Die Bundesregierung versucht mit ihren Stichwortgebern – den großen Energiekonzernen – auszubremsen, was in den letzten Jahren entstanden ist, z.B. kleine Bürger-Energiegenossenschaften. Aus diesem Grund ist es wichtig und richtig in diesem Jahr auf dem Klimacamp dagegen zu protestieren.
Das Umweltbundesamt hat eine Studie vorgelegt, dass durch die Größe der Wohnung und des Autos sowie Flugreisen und Fleischkonsum die persönliche CO2-Bilanz steigt. Dies ist unabhängig davon, ob sich Personen selbst als umweltbewusst einschätzen. Somit sind nicht-umweltbewusste BürgerInnen mit geringem Einkommen trotzdem nachhaltiger.
Dieses Phänomen ist bekannt. Wie CO2-intensiv Menschen leben und eine gewisse Form von Umweltbewusstsein, korrelieren sehr stark mit dem Einkommen und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Klasse. Aber jeder kann sich individuell vor allem über gemeinsames Handeln der Klimakrise stellen. Um über diese Inhalte breit zu informieren und zu diskutieren, ist auf dem Klimacamp jeder mit den eigenen gegebenen Fähigkeiten willkommen. Der Teilnahme- und Essensbeitrag basiert auf Selbsteinschätzung. Die Spendenempfehlungen für das Camp beträgt 3-5 Euro pro Tag: Wer mehr geben kann, gibt mehr und wer wenig oder nichts geben kann, ist ebenso willkommen.
Ungleichheit ist medial ein großes Thema. Der Soziologe Heinz Bude vertritt die Auffassung, dass es die nächsten 30 Jahre prägen wird, noch vor den Themen Ökologie und nachhaltige Entwicklung, da die Ungleichheit alle Themen kreuzt. Wie sehen Sie das?
Es kommt darauf an, wie man das Thema Ungleichheit fasst. Heinz Bude koppelt künstlich die sozialen Verhältnisse von der Ressourcenfrage ab. Die Klimaerwärmung jedoch sorgt für eine Zuspitzung der Ungleichverteilung von lebensnotwendigen Ressourcen wie Wasser, Nahrung und Ackerböden – schlicht, indem sie verschwinden, vertrocknen oder überflutet werden. Diejenigen, die am wenigsten die Klimakrise verursachen – die Armen und Ärmsten, insbesondere im Süden des Globus – leiden am allermeisten unter dem Klimawandel, während die Klimakrise durch die Emissionen der Wohlhabenden, der Reichen, die Investitionsentscheidungen der Konzernbesitzer, verursacht wird. Damit ist völlig klar, dass die oft schlicht als Umweltproblem kategorisierte Klimakrise eine soziale Frage und damit auch eine Ungleichheitsfrage ist. Deswegen ist das Problem der Klimaerwärmung im Kern ein soziales Problem, eine Frage der Ungleichheit und folglich ein Resultat des ökonomischen Systems – des industrialisierten und aktuell finanzmarktgetriebenen Kapitalismus, der diese dramatische Ungleichverteilung unter uns Menschen auf diesem Planeten produziert.
Am 17. September rufen 30 Organisationen zu bundesweiten Großdemonstrationen gegen CETA und TTIP auf. Es wird zeitgleich in sieben Städten demonstriert, darunter auch in Köln. Gabriel hält an CETA fest. Welchen Sinn haben diese Demos noch?
Die Bewegung gegen die neoliberalen Freihandelsabkommen der EU, wie TTIP mit den USA, Ceta mit Kanada und die Dienstleistungsverhandlungen TISA, ist eine der stärksten sozialen Bewegungen, die es in den letzten Jahren in der Bundesrepublik gab und die hervorragend in Europa und darüber hinaus, international vernetzt ist. Der Druck, den diese Bewegung ausüben konnte, ist sehr sehr hoch. Auch aufgrund dieses Drucks, befinden sich die TTIP-Verhandlungen mit den USA in einer Krise. Aber die Ceta-Verhandlungen mit Kanada sind bereits abgeschlossen. Jetzt beginnt der Ratifizierungsprozess.
Ceta ist sozusagen der kleine Bruder von TTIP, das heißt, dass viele der undemokratischen Regelungen, die die öffentliche Daseinsversorgung bedrohen, die in TTIP zu finden sind, sich auch in Ceta wiederfinden. Es wird nicht einfach sein, Ceta zu stoppen, aber aufgrund des bevorstehenden Ratifizierungsprozesses gibt es diese Möglichkeit noch. Die Demonstrationen am 17. September richten sich insbesondere gegen Ceta, da hier aktuell die heiße Entscheidungsphase läuft. Am 23. September treffen sich die EU-HandelsministerInnen in Bratislava. Davor sollen noch mal Zehntausende mobilisiert werden, um sichtbar gegen die Ratifizierung von Ceta zu demonstrieren. Ceta ist insbesondere deshalb bedrohlich, weil das Investor-Staat-Schiedsverfahren Bestandteil des Abkommens ist. Da viele US-Konzerne Niederlassungen in Kanada haben, gibt es somit eine Hintertür für US-Konzerne, diese undemokratischen, privaten Schiedsverfahren zu nutzen, um Staaten zu verklagen. Durch dieses Verfahren werden ökologische und soziale Reformen gehemmt, da die Staaten aufgrund dieser von Konzernen verklagt werden können. Die Strafen werden aus Steuergeldern beglichen. Aber wenn man sich insgesamt das Handelsvolumen anschaut, ist TTIP für die USA weiterhin interessant. TTIP würde den Konkurrenzdruck und die sozialen Verwerfungen noch mal potenzieren. Diese Abkommen sind undemokratisch, unsozial, unökologisch und wir gemeinsam haben die Chance sie zu stoppen!
Klimacamp | Sa 18.8. - Mo. 29.8. | Lützerath am Tagebau Garzweiler | www.klimacamp-im-rheinland.de
Demo „Ceta und TTIP stoppen“ | Sa.17.8. 12 Uhr | Deutzer Werft | www.ttip-demo.de
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