choices: Herr Dembowski, welchen Fan-Typus sehen denn die Offiziellen des Fußballs gerne?
Gerd Dembowski: Ich denke nicht, dass ein Verband oder Verein offen zugeben würde, er hätte gern überall angepasste Konsumierende. Aber auf viele organisierte Fans kann die Entwicklung des Profifußballs in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre so wirken. Das hängt eng mit einem konsumorientierten Blick der Akteursgruppen im sich gentrifizierenden Profifußball zusammen. Die UEFA will nun verstärkt gegen das vorgehen, was sie „offensive behaviour“ und „threatening communication“ nennt, konnte das aber nicht definieren. Strafen gegen Verbände und Vereine und Ausschlüsse von Fans erscheinen auf eine solche Weise willkürlich.
Im Mittelpunkt der Debatte stehen Fußball-Ultras. Wie gehen diese damit um?
Es ist immer einfach, mit dem Finger auf Jugendkulturen zu zeigen und sich nicht mit den „eigenen“ Gewaltförmigkeiten in der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Ultra-Gruppen werden seit mehr als zehn Jahren in die Schublade „gewalttätig“ gepresst, und so hat sich ihr Protest organisiert und in mancher Hinsicht verschärft. Sie reagieren mit derben Spruchbändern, vereinzelt werden Polizeikessel durchbrochen, teils werden Gefangene befreit und z.T. mit reaktiver und situativ gar mit aktiver Gewalt reagiert. Es gibt mittlerweile keine Ultra-Gruppe, die der Gewalt abspricht, aber die Vorkommnisse sind nach wie vor gering. Dass sich Ultras regelmäßig wohltätig einsetzen, u.a. Formen sozialer Arbeit aufbieten, fällt dabei häufig unter den Tisch.
Wer setzt sich für eine Verbesserung der Situation, was z. B. Rassismus oder Homophobie angeht, ein?
Von sozialpädagogischen Fanprojekten bis hin zum DFB und der DFL sind Menschen auf unterschiedlichen Ebenen aktiv. Schaut man aber mal auf die Finanzen, wird deutlich, dass dieser Bereich weiterhin unterschätzt wird. Wichtig war hier die zunehmende Lobbyarbeit des Netzwerks Football Against Racism in Europe (FARE) bei UEFA und FIFA, die wiederum den Druck auf die Verbände erhöhte. Rückschläge gibt es häufiger, beispielsweise wenn es um die Partizipation von Geflüchteten und Migrierten jenseits des Rasens, um (Hetero-)Sexismus oder Homophobie geht.
Und welche Rolle spielen die Fans dabei?
Die Ursprünge der Antidiskriminierungsarbeit liegen bei den Fans. Erst die ständig fließenden Aushandlungsprozesse in den Ultra-Gruppen konnten einen – fragilen – antirassistischen Minimalkonsens in zahlreichen Fankurven durchsetzen. Dazu kommen andere organisierte Fangruppen und Fanprojekte. Aber selbst in progressiveren Ultra-Gruppen sind Hackordnungen zu beobachten, die nach der Logik einer hegemonialen Männlichkeit funktionieren. Dabei geht es um die Verdoppelung von Werten, die in bestimmter Kombination die Diskriminierung nicht nur von Frauen fördern.
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