Eisiges Land, schönes Land. Dick Vermummte, die keine Körper-Proportion mehr erahnen lassen. Da schweifen die Gedanken doch augenblicklich in wärmere Gefilde, an weiße Strände und grünes Meer, wo wohlgeformte Körper ausgiebig dem Hautkrebs frönen. Wer wird wohl Miss Germany 2012? Das ist eine Frage, die viele nächtelang nicht schlafen lässt. Illustre Menschen, die sich dafür interessieren, entscheiden darüber sogar online. Und in der telegenen VIP-Jury sitzen Menschen, die sind mir fast völlig unbekannt. Schnell gegooglet ist ein Triple-Titelträger vom Bodensee. Braun gebrannt lächelt mir „Deutschlands bekanntester Schönheitschirurg“ entgegen, als Jüngling war er mal Bademeister, sicher förderlich bei dem Geschäft mit zeitgenössischem Illustrierten-Idealmaß.
Ein Blick in den Spiegel genügt, ich entspreche nicht dem Schönheitsideal schicker Modeblätter, wo Sixpack-Bäuche sich in Tangas auf dem Germanenrost aalen oder sich mit dümmlichen Tattoos in schicker Unterwäsche auf Plakaten vermarkten. Was mir wirklich fehlt, sind zahlreiche mit Wabbel gefüllte Plastiktüten im Körper, die diesen Mangel kompensieren könnten. Das weibliche Geschlecht scheint dies immer öfter nötig zu haben, leistet sich statt zielorientierter Bildung lieber TiBREEZE. TiBREEZE ist kein handelsübliches Raumparfüm, mit TiBREEZE hatte die moderne Frau mit Implantat immer eine Einkaufstüte parat, bis jetzt festgestellt wurde, dass diese Beutel auch schon mal platzen können. Ein Umstand, der nicht nur megagesundheitsschädlich ist, sondern auch kontraproduktiv fürs schöne Idealmaß. Ganz Nordrhein-Westfalen ist an diesen üblen Aufblas-Tüten wohl beteiligt. Nüchtern betrachtet heißt das: Im Skandal um gesundheitsgefährdende Brustimplantate haben italienische Chirurgen nicht nur den französischen Hersteller PIP, wohl auch die Mülheimer Chemie-AG Brenntag und den TÜV Rheinland als Zertifizierungsbehörde verklagt. Schon der Name des Herstellers lässt den alten Kleist klingen. Wie heißt es so schön im Zerbrochenen Krug: „Es hat ein Perlhuhn mir den Pips“. Pipp ist eine volkstümliche Bezeichnung für die schweren Entzündungen der Schnabelhöhle beim Geflügel. Wenn‘s nicht so schrecklich wäre, wäre es köstlich, so an gegrillte Hühner denken, wenn doch die Aktionäre von Brenntag involviert sind, die an einer Firma beteiligt sind, die zwar technisches Silikon nach Frankreich geliefert hat, sich aber nicht vorstellen konnte, was eine Brustimplantat-Firma damit wohl anstellt. Und auch der TÜV Rheinland erklärte flugs, seine Aufgabe sei gewesen, den Herstellungsprozess, nicht jedoch das verwendete Silikon zu kontrollieren. Genau. Kommen wir zur Ausgangsfrage zurück: Wer wird Miss Germany 2012? Bewerben durften sich Ledige mit deutschem Pass ohne Kinder zwischen 16 und 28 Jahren. Von Silikon war da nicht die Rede. Ich versuch es mal beim Schönheitschirurg. Vielleicht kann ich dann auch als teilentrahmte Plastiktüte mal an irgendwelchen Ausscheidungen – und sei es nur von Wabbelplastik – teilnehmen.
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