Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
14 15 16 17 18 19 20
21 22 23 24 25 26 27

12.599 Beiträge zu
3.824 Filmen im Forum

Foto: Presse

Ludwigslust an der Liebe

20. Januar 2020

Die Kerzen im Subway – Musik 01/20

In den sozialen Medien fegt der eine Shitstorm den anderen hinweg. Die Gesellschaft vergräbt sich in immer neue Fronstellungen. Und obendrein ist grade alles auch noch so furchtbar nass und kalt und dunkel. Um nicht völlig der Depression anheimzufallen, kommt in dieser verzagten Jahreszeit eine Band wie Die Kerzen gerade recht. Das Quartett um Sänger und Gitarrist Felix Keiler kommt aus dem 12000-Einwohner-Kaff Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern, ist also schon größeren Unwägbarkeiten Herr geworden, als ein bisschen Hass und ein paar Minusgrade. Doch auch in Berlin, wo die Band mittlerweile wohnt, wiegt der Winter schwer.

Auf ihrem Album „True Love“ ist davon allerdings nichts zu spüren. Warme Synthesizer (Jelena von Eisenhart Rothe) fahren da mit groovigen Bässen (Fabian Rose) und feingefedertem Schlagzeug (Lucas Wojatschke) mit viel Gespür für Timing und Maß gen Pop-Sonnenuntergang. Die Kerzen – eine musikgewordene Vitamin D Kur gegen Hass und Winterblues. Auf Songs wie „True Love“ und „Saigon“ besingt Felix Keiler beschwingt die Freude am Aufbruch aus der Provinz in die Großstadt und den Zauber eines Flirts im Berghain, der in Südostasien seine Erfüllung findet. Aus jedem Takt trieft dabei der Einfluss der New Romantics, also Bands wie Duran Duran und Spandau Ballett. Auf dem Siedepunkt der maskulinen Rebellionsgesten und der brachialen Tonalität des Punk wiedersetzten sie sich mit neuer Zärtlichkeit und großem Pathos. Kitsch statt Krieg, Melodie und Witz statt Härte und Verstocktheit.

Dass diese unbedarfte Lebensfröhlichkeit auch heute noch durch die kalte Jahreszeit hilft, das wollen Die Kerzen im Januar auch in Köln unter Beweis stellen. Mit ihrer ironisch gebrochenen Retro-Liebe befinden sie sich sowieso auf der richtigen Seite der Popwelt, wo sich in den letzten Jahren Bands wie International Music, Klaus Johann Grobe oder Tame Impala einen Namen machten. Der Blick zurück liegt schwer im Trend. Und so heißt der große Hit der Platte nicht umsonst „Al Pacino“. Dieser lässt in „The Irishman“ gerade ein letztes Mal längst vergangene Epochen aufleben. Für nicht wenige ist es der Film des Jahres.

Die Kerzen – Tour d'Amour | Do 23.1. 19.30 Uhr | Club Subway

FLORIAN HOLLER

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Drop – Tödliches Date

Lesen Sie dazu auch:

Einstürzende Musikbrücken?
Die 15. Ausgabe von Acht Brücken könnte die letzte sein – Festival 04/25

Melancholisch und gewaltig
Engin in Köln

Endlich Headliner
Elephant im Tsunami

Die Musikfestivals sprießen
Schon der Frühling ist Festivalzeit – Unterhaltungsmusik 04/25

Salz, Wind und Liebe
Anna B Savage im Bumann & Sohn – Musik 03/25

Altmeister und Jungspunde
Konzerte von und für alle Generationen – Unterhaltungsmusik 03/25

Wärme, Nähe, Authentizität
Noah Derksen in den Hängenden Gärten von Ehrenfeld – Musik 02/25

Klavier statt Karneval
Ein Februar mit guter Musik – Unterhaltungsmusik 02/25

Nicht alle sind supersympathisch
(Kinder-)Geburtstags- und Weihnachtsfeiern on Stage – Unterhaltungsmusik 12/24

Noise, Rap und Migration
Zwischen Bühne und Buchdeckel – Unterhaltungsmusik 11/24

Aggressive Dringlichkeit
Internationale Acts von Rock über Hip Hop bis Avantgarde – Unterhaltungsmusik 10/24

Heftiger Herbstauftakt
Nach Open Air wieder volles Programm in Clubs und Hallen – Unterhaltungsmusik 09/24

Musik.

HINWEIS