„Jedem Anfang wohnt ein Schauder inne“ – so muss man wohl nach dem verpatzten Neustart der Kölner Bühnen am Offenbachplatz sagen. Das Schauspiel hat es noch leichter als die Oper: Intendant Stefan Bachmann macht einfach im Mülheimer Depot weiter wie gehabt. Mit dem ursprünglich geplanten „Exodus“-Projekt zum Auftakt wird es aus thematischen, mit dem „Faust“-Gastspiel des Berliner Ensembles und dem „Winterreise“-Gastspiel von der Wiener Burg aus bühnenlogistischen Gründen nichts. Ansonsten business as usual: Man fragt sich allerdings, worin der Thrill beim Auftakt des Schauspiels im sanierten Haus hätte liegen sollen. Immerhin sind ein Extra von 1,5 Millionen Euro dafür an die Bühnen geflossen. Zwei Gastspiele, das war’s offensichtlich. Da hätte es schon mal ein Projekt von Romeo Castellucci oder Jérôme Bel sein dürfen. Vieles wäre möglich gewesen, doch es bleibt bei den üblichen Regie-Verdächtigen – das Mülheimer Interimsprogramm wird das zukünftige Hausprogramm sein, das wissen wir jetzt.
Da es mit „Exodus“ also nichts wird, richtet sich Bachmann fürs Erste in Ödön von Horváths sarkastischen „Geschichten aus dem Wiener Wald“ ein. Die junge Marianne flüchtet vor der Ehe mit Fleischer Oskar in eine Beziehung mit dem großspurigen Alfred. Der macht ihr ein Kind und Szenen und verlässt sie. Nach einem Auftritt als Nacktänzerin und einem Knastaufenthalt heiratet sie schließlich doch den Metzger. „Du wirst meiner Liebe nicht entgehn“, hatte er ihr prophezeit. Die Rolle der Marianne spielt Lou Zöllikau, die 2015 ihr Schauspiel-Studium an der Folkwang Universität abgeschlossen hat und mit Beginn dieser Spielzeit neues Ensemblemitglied in Köln ist.
Dass sich Moritz Sostmann, der Puppenspieler am Kölner Schauspiel, an ein Stück von Lars Norèn wagt, stellt ein Experiment dar. Dieser Dramatiker gesellschaftlicher Abgründe ist der Chefbeleuchter düsterster Gesellschaftspanoramen. Das Stück „3.31.93“ stellt 25 Figuren auf die Bühne, die mit ihrem Leben und seinen Wendungen zu kämpfen haben. Auch immer mal wieder die Hoffnungen der Figuren aufblühen; es dürfte spannend sein, wo Sostmann die Nischen der Poesie für sein Figurentheater entdeckt oder inwieweit er das Entfremdungspotential der Puppe aktiviert.
Dass das Thema „Gotteskrieger“ endlich der Komödie zugeführt wird, war an der Zeit. Lächerlich sind die konvertierten Zottelbärte allemal – ihrer islamo-faschistischen Träume und ihres holocaustischen Furors zum Trotz. Der syrische Österreicher Ibrahim Amir, der in der vergangenen Spielzeit bereits mit „Habe die Ehre“ für gute Unterhaltung sorgte, schickt jetzt in seinem neuen Stück „Stirb bevor du stirbst“ Jung-Philipp auf den Kriegstrip nach Syrien. Mutter Sabine, der im Arbeitsstress der Überblick verloren gegangen ist, schwant das Schlimmste. Helfen soll ausgerechnet die Nachbarin, die irgendwo aus dem näheren oder ferneren Nahen Osten stammt und mit der sich Sabine ständig in den Haaren liegt. Raffael Sanchez bedient die Komödienmaschinerie und drückt hoffentlich die richtigen Knöpfe.
„Geschichten aus dem Wiener Wald“ | Depot 1 | 31.10.(P), 3.,6., 7., 21.11. 19.30 Uhr
„Stirb bevor du stirbst“ | Depot 2 | 7.(P), 8., 13.11. 20 Uhr
„3.31.93“ | Depot 1 | 12.(P) u. 18.11. 19.30, 22.11. 18 Uhr, 29.11. 16 Uhr | 0221 221 28400
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