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Markus Brunetti, Duomo Santa Maria Assunta Pisa, © Markus Brunetti 2014

Der Zeit entrückt

29. Oktober 2014

Markus Brunetti im MAKK in Köln – Kunst 10/14

Abseits von seinem sonstigen Programm zeigt das Museum für Angewandte Kunst derzeit eine erstaunliche Fotoausstellung. Ausgestellt sind Farbaufnahmen europäischer Klöster, Kirchen und Kathedralen, die der italienische Fotograf Marco Brunetti (der sich für diese Ausstellung Markus Brunetti nennt) in den letzten neun Jahren aufgenommen hat, wobei er seine Folge markanter Sakralbauten in Europa weiter fortsetzt. Ausgestellt sind nun Fotografien u.a. der Kathedralen in Reims, Santiago di Compostela, Straßburg und der Dorfkirche im portugiesischen Cortegaça mit ihren Keramikfliesen. Von jedem Gebäude gibt es im MAKK eine Aufnahme zu sehen; im moderaten Großformat von bis zu 1,5 x 3 m hängen drei bzw. vier Fotografien an Seilen von der Decke. Geprinted im sog. Digigraphie-Druckverfahren auf Büttenpapier, werden die Aufnahmen ohne Glas gezeigt, sie wirken matt, stofflich. Für eine gewisse Distanz, die das Bild zusammenfasst, sorgt der weiße Rand, den Brunetti als Teil der Arbeit versteht.

Zunächst stellt sich angesichts der lapidaren Klarheit die Frage, ob diese Fotografien dem Angewandten Bereich – was ja legitim ist – zuzuordnen sind (etwa als Postkartenmotive taugen) oder es sich doch eher um freie, radikal formulierte Kunst handelt. Letzteres ist der Fall. Brunetti greift für seine Bilder zu bestimmten Maßnahmen. Die Sakralbauten mit ihren Türmen, Portalen, der Feingliedrigkeit der Fassaden und den Stufen, sie sind alle aus leicht erhabener Position zentralperspektivisch frontal erfasst und als Ganzes zu sehen. Die Plätze und Gebäude sind menschenleer, alle Teile der Architektur sind gleich scharf gegeben. Die Verkürzungen in die Höhe sind korrigiert und die seitlichen Verzerrungen begradigt. Plötzlich passiert etwas Merkwürdiges. Die Sakralbauten wirken entrückt und außerhalb jeder Zeit, als befänden sie sich in einer eigenen Welt. Mit ihrer Tiefenschärfe heben sie sich vom Himmel ab und stehen geradezu plastisch vor ihm, ja, plötzlich stellt sich ein 3D-Effekt ein. Wir können fast jeden Stein mit den Versehrungen seiner Oberfläche sehen – und erfassen so schließlich diese Konstruktion und den Anspruch dieser Bauten zwischen architektonischer Meisterleistung und geistiger Überhöhung. Die Kathedralen erzählen die Geschichte ihrer Entstehung. Mehr kann man von einer Fotoausstellung zu diesem Sujet nicht erwarten.

THOMAS HIRSCH

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