Freitag, 29. November: An drei Tagen präsentieren Festivalleiter Amin Farzanefar und Projektleiterin Lale Konuk in Köln Filme zu „40 Jahren iranische Revolution“. Unter dem Titel „1979 – Revolution der Bilder“ haben sie ein Programm aus rund einem Dutzend Filmen zusammengestellt, das sich mit dem Sturz des Schahs im Iran des Jahres 1979 und dessen Folgen auseinandersetzt. Schon am Vortag gelangten hierzu zwei Filme im „Filmclub 813“ zur Aufführung, die offizielle Festivaleröffnung fand allerdings mit Live-Musikbegleitung am Freitagabend im Filmforum statt. Nachdem Bardia Taghipour und Sima Behmanesh mit ihren Musikern Bahman Dastjerdy und Yashar Khoshkbari einige Lieder auf Persisch angestimmt hatten, begrüßte die Moderatorin Faranak Rafiei einige der Gäste des Festivals, u.a. die Fotografin Maryam Zandi, deren mit vielen Fotopreisen ausgezeichnete Arbeiten zur Iranischen Revolution im Foyer des Filmforums zu bewundern sind. Gefördert wurde das Festival von der Bundeszentrale für politische Bildung, deren Repräsentant Christoph Müller-Hofstede „die Kreativität und den Spürsinn der Festivalleiter im Auffinden der Filme“ lobte, wenngleich es „bürokratische Mauern zu überwinden“ galt, um die Filmemacher aus dem Iran nach Köln einzufliegen.
Keine Probleme gab es hier beim Gast zum Eröffnungsfilm „Der nackte König“, denn Andreas Hoessli ist Schweizer. Sein von arte koproduzierter Film beschäftigt sich zunächst mit Hoesslis Jahren in Polen, in denen er ins Visier des Geheimdienstes geriet. In Gesprächen mit ehemaligen polnischen Agenten rekonstruiert der Filmemacher die Vorgänge, die hier Ende der 1970er Jahren stattgefunden haben. Der Bezug zum Iran entsteht dann durch Hoesslis Bekanntschaft mit dem polnischen Journalisten Ryszard Kapuscinski, der 1979 als Auslandsreporter von Polen in den Iran geschickt wurde, um über die dortigen Unruhen zu berichten. Die waren nach der Flucht des Schahs und der Ankunft einer Air-France-Maschine mit dem ehemals vom Schah verbannten Ayatollah Ruhollah Chomeini im Iran auf ihrem Höhepunkt angelangt. Im Publikumsgespräch im Anschluss an die Projektion des Films sagte Andreas Hoessli, „die vielen Verbindungen zwischen den beiden Ländern Polen und Iran“ habe er erst viel später erkannt. Der Ursprung seines Interesses resultierte in seiner Zeit in Polen, als der Iran international die Weltlage bestimmte. Während sich in Persien das Volk gegen den König auflehnte, erstarkte in Polen die Arbeiterschaft, die mit der Solidarność-Bewegung gegen das kommunistische System aufbegehrte und unabhängige Gewerkschaften einforderte.
Angesprochen auf den Einfluss des kurz zuvor erfolgten Papstbesuches in Polen auf die Arbeiterbewegung erläuterte Andreas Hoessli, dass „die Verbindung der Religiosität zu den revolutionären Ereignissen in den beiden Ländern differenzierter zu betrachten“ sei. In Polen hätte der vom Vatikan organisierte Papstbesuch sicherlich zu einem breiten Umdenken geführt, da es die Logistik dieses Großereignisses notwendig gemacht hätte, dass Tausende daran organisatorisch beteiligt waren – und auf diese Weise unabhängige Organisationsprinzipien in einem sozialistischen Staat kennengelernt hätten. Nichtsdestotrotz sei Solidarność keine religiöse, sondern eine soziale Bewegung gewesen, so der Filmemacher weiter. Nach dem Sturz des Schahs hatten iranische Studenten in Teheran die US-Botschaft besetzt. Deren Anführer gründete später eine Partei mit dem Namen „Solidarität“ – eine weitere Parallele zwischen den beiden Ländern. In seinem Film zeigt Hoessli darüber hinaus Bilder von Feierlichkeiten für den Schah und für die polnische Machtelite – in beiden Fällen hohle Zeremonien für Machthaber, deren Stärke bereits zerfallen war. Verschiedene historische Studien würden verdeutlichen, dass der Zerfall einer Macht einer Revolution stets vorausgegangen ist. Der polnische Journalist Ryszard Kapuscinski hat dies in Bezug auf das Volk mit folgenden Worten ergänzt: „Die Angst abzuschütteln ist eine Voraussetzung der Revolution“. Noch bis Sonntagabend kann man sich davon im Filmforum im Museum Ludwig in Köln bei den verschiedenen Filmen des Festivals ein Bild machen.
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