Mittwoch, 30. Januar: Das Dokumentarfilmfestival „Stranger than Fiction“, das in diesem Jahr zum 21. Mal in Köln stattfindet, hat heuer zwar einen Schwerpunkt auf Filme aus Lateinamerika gesetzt. Natürlich kommen aber auch andere interessante Dokumentationen zum Einsatz, nicht zuletzt eine Reihe von Filmen, die in Nordrhein-Westfalen entstanden sind. „Schwarzer Honig – Das Leben und die Poesie des Avraham Sutzkever“ von Uri Barbash passt indes in keine der beiden Kategorien. Vielmehr hätte der Film aber wunderbar in der Reihe israelischer Filme gezeigt werden können, die ansonsten jeweils am 1. Mittwoch des Monats in der Filmpalette auf dem Programm stehen. Uri Barbash hat sich darin mit Leben und Werk des vermutlich bedeutendsten jiddischen Dichters des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt. Der von Yair Qedar produzierte Film entstand als Teil der Reihe „The Hebrews“, die sich in mittlerweile vierzehn Porträts mit bedeutenden hebräischen Schriftstellern und Dichtern auseinandergesetzt hat. Eigentlich, so erläuterte Qedar beim Publikumsgespräch in Köln, würde er stets selbst die Schriftsteller und Regisseure für die Reihe auswählen. In diesem speziellen Fall sei allerdings alles ein wenig anders abgelaufen.
Vor ungefähr vier Jahren habe sich Qedar das erste Mal mit Uri Barbash getroffen, der ihm von der Idee berichtete, das Leben Avraham Sutzkevers (1913-2010) dokumentarisch aufzuarbeiten. Yair Qedar war gleich Feuer und Flamme für das Projekt und sicherte Barbash auch zu, dass der Film in der Reihe „The Hebrews“ entstehen könne. Die israelischen Fernsehanstalten, die als Koproduzenten an der Filmserie beteiligt sind, wollten „Schwarzer Honig“ indes nicht unterstützten, weil Sutzkever seine Gedichte nicht auf Hebräisch, sondern in Jiddisch verfasst hatte. Mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne und letztendlich rund 600 Unterstützern konnte der Film dann aber doch noch realisiert werden. Der Porträtierte Sutzkever selbst hätte den Film allerdings höchstwahrscheinlich nicht gutgeheißen, davon ist Yair Qedar überzeugt: „Er hielt sich für den größten jiddischen Dichter der Welt und wäre der Ansicht gewesen, dass kein Film das auf angemessene Weise hätte vermitteln können“, erläuterte der Produzent in der Filmpalette. Gleichwohl haben sich die Filmemacher die größte Mühe gegeben, Sutzkever so gut es ging gerecht zu werden. Dabei sei es nicht einfach gewesen, die Gedichte für den Film auf angemessene Weise zu visualisieren. Auch die Betonungen und die Auswahl der Menschen, die die Werke im Film vortragen, mussten bis in die Details stimmen. Allein für diesen Feinschliff hätte man zwei Jahre Arbeit in den Film investiert, so Qedar weiter. Aus dem Publikum in Köln kamen zahlreiche positive Rückmeldungen hierzu, die ZuschauerInnen lobten insbesondere auch die Übersetzungen des Jiddischen ins Hebräische und ins Deutsche, was im Film mit parallelen Untertiteln ermöglicht wurde.
In der Reihe „The Hebrews“ soll es in erster Linie um die Künstler und ihre Werke gehen, egal, wie interessant auch andere Aspekte in ihrem Leben gewesen sein mögen. Dahingehend stellte „Schwarzer Honig“ die Macher vor weitere Probleme, denn Avraham Sutzkevers Leben war spannend genug, um den Stoff für gleich mehrere verschiedene Filme liefern zu können. Abgesehen von seiner Bedeutung als jiddischer Poet war er auch der einzige jiddische Zeitzeuge, der bei den Nürnberger Prozessen 1945 gegen Naziverbrecher aussagte. Auch seine Flucht aus dem jüdischen Ghetto, die ihm durch den russischen Machthaber Stalin persönlich ermöglicht wurde, ist ebenso filmreif wie seine kurz zuvor erfolgten Einsätze in der Papierbrigade, bei der er maßgeblich daran beteiligt war, jüdische Schriften vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten zu retten. Bei einigen Zuschauern sorgte es in Köln für Verwunderung, dass in Israel alles Jiddische so vehement bekämpft und unterdrückt worden war. Yair Qedar sieht den Grund dafür darin, dass sich das jüdische Volk nach der Gründung des Staates Israel Ende der 1940er Jahre einig zeigen wollte. Zwei parallel zueinander gesprochene Sprachen, das Jiddische und das Hebräische, hätten diesem Konzept widersprochen, weswegen man sich gegen das Jiddische entschloss. „Vielleicht dauert es noch einige Jahre, bis die jiddische Kultur wiederentdeckt wird und wieder ihre Daseinsberechtigung erhält. Bis dahin ist es nun unsere Aufgabe, die Aussagen der noch lebenden Bewahrer der jiddischen Kultur zu dokumentieren“, fasste der Produzent seine Motivation zusammen.
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