Ist es das kleinste Bild dieser Ausstellung? Lucas Cranach' „Judith mit dem Haupt des Holofernes“ (1525) zeigt, als Rundbild mit einem Durchmesser von nicht einmal 15 cm, eine der ergreifendsten Szenen des Alten Testaments. Die zierliche, engelsgleiche Judith hat gerade den assyrischen Hauptmann Holofernes geköpft und wirkt doch so unschuldig, wie sie auch wirken soll: Durch ihre ätherische Erscheinung erschreckt alles Körperliche mit seiner Dimension des Endgültigen umso mehr. 100 Jahre später ist das Gemälde „David mit dem Haupt des Goliath“ von Simon Vouet entstanden, das ebenfalls ausgestellt ist. Was für ein Unterschied! Wo bei Cranach der Moment des Innehaltens geschildert ist, herrscht bei Vouet äußerste Dramatik: Der Hintergrund ist dunkel, David wird von vorne beleuchtet, den bärtigen Schädel hebt er mit der Linken hoch – hier liegt ein ganz anderes Konzept des Körperlichen vor.
Von der Vielfalt und Vielschichtigkeit in der künstlerischen Darstellung des menschlichen Körpers handelt die aktuelle Ausstellung in der Kunstkammer Rau des Bahnhof Rolandseck bei Remagen. Natürlich lebt sie – wie alle Präsentationen aus dem Bestand der Sammlung Rau, der für UNICEF sukzessive versteigert werden soll – von dem, was Gustav Rau gesammelt hat, ergänzt um Leihgaben, die auch einen Blick auf die heutige Kunst unternehmen. Vorgestellt wird der menschliche Körper zwischen Sinnlichkeit, Erotik, Gewalt und Zerstörung. Zu sehen sind Meisterwerke der Kunstgeschichte, neben den genannten Künstlern etwa von Vittore Crivelli, de Ribera, Courbet, Mary Cassatt, aber auch mittelalterlicher und antiker Kunst. Untersucht wird, wie sich die Darstellung des Körpers im Laufe der Epochen gewandelt hat. Eindrucksvoll sind die vielen Beispiele früher christlicher Kunst, besonders im Bereich der Skulptur. Das Körperliche wurde im Besonderen mit Christus am Kreuz und den Geißelungen der Heiligen dargelegt; erst später war der „gewöhnliche“ Mensch in seiner Leiblichkeit ein Thema. Spannend ist die Gegenüberstellung von Porträts der Malerei-Geschichte mit dem (Kunst-) Foto einer Bodybuilderin. Spannend ist auch das raffinierte kunsthistorische Zitieren von Berlinde De Bruyckere und Damien Hirst. Wie stets in der Kunstkammer Rau ist die Ausstellung nicht nur eine Ansammlung hochkarätiger Kunst, sondern sie reflektiert auch ihr Thema, stellt Zusammenhänge zum Heute und unserer Gesellschaft her – und ist folglich auch diesmal sehr sehenswert.
„Leibhaftig. Der menschliche Körper zwischen Lust und Schmerz“ | bis 25.1.15 | Kunstkammer Rau im Arp Museum Bahnhof Rolandseck | 022 28 94 25 0
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