Ich gestehe: seit ich autofahre, habe ich immer wieder zu meinem Auto gesprochen. Wenn es mal ganz steil bergauf ging oder der Motor komische Geräusche von sich gab. Ich habe mir damals sogar Handbücher besorgt, um bei kleineren Schäden selbst Hand anlegen oder mit meiner Vertragswerkstatt kompetent kommunizieren zu können. Das ist lange her.
Inzwischen kommuniziert mein Auto mit mir oder besser über mich. Auf der Armaturentafel blinkt es. Man muss in der Betriebsanleitung nachschlagen, um die Zeichen deuten zu können, aber sie alle warnen freundlich vor Gefahren. „Fahren Sie bitte vorsichtig und suchen Sie umgehend Ihre Vertragswerkstatt auf“. Vor Ort verspricht der Reparateur dann, „in die Tiefe zu gehen“. Er schließt das Auto an den werkseigenen Computer an, der mein Auto inzwischen sowieso besser kennt als ich, schon wegen VIN, der digitalen vehicle identification number und allerlei anderen gespeicherten technischen Daten. Das System teilt uns mit, dass die Batterie nicht mehr „ausreichend leistungsfähig“ ist und ersetzt werden muss. Als ich aus Termingründen den Einbau verschieben musste, warnte mich der zuständige Fachmann indigniert: „Das ist Ihr Risiko.“ Das ist jetzt zwei Jahre her, die Batterie tut es noch immer. Wenn erst der Werkstattroboter perfektioniert ist, können die Maschinen demnächst ganz unter sich bleiben beim Datenaustausch. Der Kunde stört nur die Abläufe, verstehen muss er sie nicht, nur zahlen.
Die Automobilindustrie kämpft schon länger dafür, dass die Kundschaft noch weiter entlastet und vor Risiken aller Art geschützt wird. Die freie Fahrt der freien Bürger schreit nach Sicherheit. Fast jedes Fahrzeug kann heute schon via RFID, dasRadio Frequency Indentification identifiziert werden. Demnächst soll jedes Bauteil einen Code erhalten. Übers Netz kann man das Ding dann jederzeit wo auch immer aufspüren. Natürlich um es bei einem Defekt passgenau austauschen zu können. Die Überwachung der vom Auto erzeugten Betriebswerte und technischen Daten werden en passant weiter ausgebaut. „Sicherheitsrelevante“ Systeme der Fahrzeugelektronik werden dazu per Gateways und Firewalls abgeschottet, die Daten des vernetzten Fahrzeugs wegen Terrorgefahr wie gehabt mit der NSA verschlüsselt.
„Zwei Jahrhunderterfindungen – das Auto und der Computer – verschmelzen“, hat vor kurzem der Chef des weltweit größten Automobilherstellers dazu erklärt. Man kooperiert mit Google, Microsoft und Apple, wenn es um Navigation, Telematik und Infotainment geht – Kundenprofile dürften Teil des Business sein. Zur Ergänzung sind für neuere Modelle bereits „hilfreiche“ Apps und mobile Assistenzsysteme auf dem Markt, die via Smartphone allerlei Daten austauschen. Mensch und Auto bleiben so nie mehr allein. Datenschützer sorgen sich derweil um den weiteren Ausbau des Autos zur „Datenkrake" und plädieren für mobile No-Spy-Regeln – ein bisschen zu spät vielleicht.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Kassenkampf statt Klassenkampf
Widerstand beginnt an der Kaufhauskasse – THEMA 02/15 KONSUM
„Nicht wenige Menschen leiden unter Konsumverstopfung“
Wachstumskritiker Niko Paech über Wege aus der konsumbedingten Reizüberflutung – Thema 02/15 Konsum
Fleisch, Benzin und Nikotin
Sabine Weick über eine Fleischsteuer und andere politische Mittel einer gesunden Ernährung – Thema 07/11 Das Tier und wir
Kli Kla Klacks
Intro – Genug für alle
Gerechtigkeit wäre machbar
Teil 1: Leitartikel – Die Kluft zwischen Arm und Reich ließe sich leicht verringern – wenn die Politik wollte
„Je größer das Vermögen, desto geringer der Steuersatz“
Teil 1: Interview – Finanzwende-Referent Lukas Ott über Erbschaftssteuer und Vermögensungleichheit
Gegen die Vermüllung der Stadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Umweltschutz-Initiative drängt auf Umsetzung der Einweg-Verpackungssteuer
Gleiches Recht für alle!
Teil 2: Leitartikel – Aufruhr von oben im Sozialstaat
„Eine neue Ungleichheitsachse“
Teil 2: Interview – Soziologe Martin Heidenreich über Ungleichheit in Deutschland
Klassenkampf im Quartier
Teil 2: Lokale Initiativen – Bochums Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Stahlhausen
Die Mär vom Kostenhammer
Teil 3: Leitartikel – Das Rentensystem wackelt, weil sich ganze Gruppen der solidarischen Vorsorge entziehen
„Die gesetzliche Rente wird von interessierter Seite schlechtgeredet“
Teil 3: Interview – VdK-Präsidentin Verena Bentele über eine Stärkung des Rentensystems
Der Kitt einer Gesellschaft
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Landesverband des Paritätischen in Wuppertal
Der Staat will zuhören
Wandel im niederländischen Sozialsystem – Europa-Vorbild: Niederlande
Armutszeugnis im Reichtum …
… und alternative Fakten im Wirtschaftssystem – Glosse
Konflikt-Kanzler
Intro – Friedenswissen
Herren des Krieges
Teil 1: Leitartikel – Warum Frieden eine Nebensache ist
„Besser fragen: Welche Defensivwaffen brauchen wir?“
Teil 1: Interview – Philosoph Olaf L. Müller über defensive Aufrüstung und gewaltfreien Widerstand
Politische Körper
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Friedensbildungswerk setzt auf Ganzheitlichkeit
Streiken statt schießen
Teil 2: Leitartikel – Das im Kalten Krieg entwickelte Konzept der Sozialen Verteidigung ist aktueller denn je.
„Als könne man sich nur mit Waffen erfolgreich verteidigen“
Teil 2: Interview – Der Ko-Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung über waffenlosen Widerstand
Widerstand ohne Waffen
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und ihr Landesverband NRW
Unser höchstes Gut
Teil 3: Leitartikel – Von Kindheit an: besser friedensfähig als kriegstüchtig
„Das ist viel kollektives Erbe, das unfriedlich ist“
Teil 3: Interview – Johanniter-Integrationsberaterin Jana Goldberg über Erziehung zum Frieden
Platz für mehrere Wirklichkeiten
Teil 3: Lokale Initiativen – Kamera und Konflikt: Friedensarbeit im Medienprojekt Wuppertal