Neue Pfade zu vergessenen Tälern: Burkhard Mönnich lädt in die Galerie Martinetz zum Rendezvous mit vertrauten, aber aus den Augen verlorenen Geschöpfen ein. Der gebürtige Essener konfrontiert die Betrachter seiner aktuellen Werkschau „Uncanny Felly“ mit überwiegend großformatigen Arbeiten aus Öl und gleißender Gesso-Mischung auf Nesseltuch, die Steiff-Stofftiere zeigen. Bei den im Netz ersteigerten Originalen – unter anderem aus der sogenannten Coco-Serie – handelt es sich um Miniaturen, die in den Jahren 1958 bis 1972 hergestellt wurden. Den Titel der Ausstellung entlehnt der Wahlkölner dem Begriff „Uncanny Valley“ (übersetzt: „Unheimliches Tal“). Der beschreibt das von vielen empfundene Unbehagen beim Betrachten einer künstlichen Figur, die der realen Version beinahe gleicht – aber eben nur beinahe.
Mittlerweile umfasst Mönnichs Oeuvre seit Beginn seines Sköne Oke-Projekts (benannt nach der Kurzgeschichte „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann) rund 120 Gemälde – und wächst weiter. Gerade in der Masse entfalten die Bilder eine bizarre Wirkung: Gütig, irritiert, verschüchtert, selbstbewusst, verträumt, fragend, verärgert, verlassen und verliebt blicken die Figuren den Besucher mit wässrigen bis leuchtenden Augen ins Antlitz (oder kalkulierend knapp daran vorbei), bis niemand mehr weiß, wer Gast und wer Gastgeber ist. Der Dialog gestaltet sich daher anfänglich sperrig. Es kommt mehrfach zu Belustigungen auf Kosten des anderen. Im Zuge des Aufenthalts weicht das Misstrauen teilweise der Faszination. Hier werden keine Höflichkeiten ausgetauscht, kein Smalltalk über Wetter oder Inflation praktiziert, sondern Erinnerungen an eine mal verblasste, mal gegenwärtige Jugend geteilt. Damit einhergehend sind verspielte Begegnungen mit gegenseitigem Wohlwollen und schmerzhafte Feindseligkeiten. Davon zeugen Narben auf den Körpern, nachglühende orange-rötliche Wunden, violette Schattierungen an den Leibern oder skalpierte Häupter. Die Ästhetik der Ausstellung liegt in der Reflexion. Mensch betrachtet Fast-Mensch und erfühlt im besten (oder ungünstigsten) Falle Blutsverwandtschaft
Burkhard Mönnich: Uncanny Felly | bis 7.6. | Galerie Martinetz | www.petramartinetz.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Kunst der Keramik
Young-Jae Lee im Hetjens in Düsseldorf
Unser Körper in Schichten
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln
Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24
Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24
Fokussierte Atmosphäre
Der amerikanische Maler Étien in der Apern Galerie
Vielfalt der Drucktechniken
20. Internationale Grafik-Triennale Frechen
Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24
Auf Papier, gedruckt
Thomas Schütte in Neuss
Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24
Makroproteste in der Mikrowelt
Agii Gosse in der Galerie Landmann-31 – Kunstwandel 03/24
Expansion in die Löwengasse
Kunstraum Grevy eröffnet Pop-Up-Store „Grevy Satellite“ – Kunst 02/24
Faszination für krumme Linien
Julja Schneider im Maternushaus – Kunstwandel 02/24
Alle sind älter
Porträts über das Alter in der Photographischen Sammlung im Mediapark – kunst & gut 06/24
„Welche Wahrheit trauen wir Bildern zu?“
Kurator Marcel Schumacher über „Ein Sommer in vier Ausstellungen“ im Kunsthaus NRW in Aachen – Interview 06/24
Anpassung und Eigensinn
„1863 – Paris – 1874: Revolution in der Kunst“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 05/24
Berührungsängste verboten
„Memory is not only past“ in der ADKDW – Kunst 04/24
Zauber der Großstadt
Nevin Aladağ im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 04/24
Ein König schenkt
Schenkungen von Kasper König an das Museum Ludwig – kunst & gut 03/24
Aufscheinende Traditionen
Helena Parada Kim im Museum für Ostasiatische Kunst – kunst & gut 02/24