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Regisseurin Anna Ditges bei der Filmpremiere

Bürgerbeteiligung in Ehrenfeld

02. Februar 2015

Premiere von „Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ im Cinenova – Foyer 02/15

Sonntag, 1. Februar, 12 Uhr: Das Ehrenfelder Cinenova öffnet zwei große Säle, um 495 Zuschauer unterzubringen. „Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ zieht für einen Dokumentarfilm ein ungewöhnlich großes Interesse auf sich, zudem sind viele gekommen, die an dem Film mitwirkten oder in ihm auftauchen. Die ersten Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2011 – damals wurden Pläne zur künftigen Nutzung des Helios-Geländes bekanntgegeben, das seit 2008 einer Grundstücksgesellschaft gehört, die nun unter anderem aus der Werkhalle ein überdachtes Einkaufszentrum machen wollte. Zudem waren die Tage der alten Werkstätten und Kleinunternehmen (z.B. der Musik-Club Underground) auf dem Gelände gezählt. Die Bürgerinitiative Helios gründete sich, um alternative Pläne auszuarbeiten, die der zentralen Lage des Geländes, den gewünschten Wechselwirkungen mit der Umgebung (speziell der multikulturellen Venloer Straße) und diversen anderen aufgestellten Kriterien besser Rechnung trugen.


Der Helios-Leuchtturm fragte sich auch gestern, wie's weitergeht

Diese gut organisierte Bewegung wurde immer stärker und konnte mit eigenen Vorschlägen Einfluss auf Politik und Verwaltung ausüben. Heute ist die Shopping Mall vom Tisch, zwei integrative Schulen sollen gebaut werden, und über den Rest wird noch entschieden. Anna Digtes‘ Film, der am 19. Februar anläuft, zeigt die anstrengende Arbeit der Bürgerinitiative und die parallelen Prozesse im Stadtplanungsamt, im Bezirksrathaus und in der Bauwens-Projektentwicklung. Die Beteiligten und Betroffenen äußern sich recht offen, dazu wurden Versammlungen und Besprechungen besucht, Menschen bei der ehrenamtlichen Arbeit und in ihren Läden gefilmt. Zur Premiere nennt Ditges die Interviewten ihre „Protagonisten“, denn die Prozesse werden an ausgewählten Personen festgemacht, die sich nun auch ein Stück weit mit dem Film identifizieren. Jürgen Lütz vom Schwarz-Weiß-Filmverleih erklärte vor der Projektion, dass man als Verleih versuchen wolle, bürgerliche Anliegen und aktuelle Themen auf die Leinwand zu bringen, und hob als eine wichtige Eigenschaft des Films hervor, dass die Regisseurin sich immer auf Augenhöhe ihrer Interviewpartner stelle.

Bei der Vorführung verfehlten einige harmlose Divertissements mit Bezirksbürgermeister Josef Wirges und mit Planer Paul Bauwens-Adenauer nicht, schallendes Gelächter hervorzurufen. Auch sonst gab es keine langweiligen Momente, blickte man hier doch hinter die Kulissen der oft kritisierten Kölner Stadtplanung. Als Ditges für das Gespräch auf die Bühne kam, wurde sie zunächst herzlich bejubelt und gelobt. Der Wunsch, einen solchen Film zu machen, sei nach dem Einsturz des Stadtarchivs entstanden und „der Äußerung von Fritz Schramma, dass er als Oberbürgermeister die Verantwortung dafür nicht tragen kann, weil das ‚System‘ so komplex ist. Dann, habe ich gedacht, musst du dich mit dem ‚System‘ mal befassen, mit dem System deiner Stadt. Welche Rolle spielst du auch selbst darin, als Bürger, als Bürgerin.“ Nach ersten Recherchen sei sie in der Zeitung auf die Pläne zum Bau einer Shopping Mall in Ehrenfeld gestoßen, „was ich mir zunächst mal gar nicht vorstellen konnte, und bin dann zur ersten Informationsveranstaltung mit der Kamera hingegangen.“ Sie dankte allen Protagonisten, dass sie „zum Glück“ ihr über zwei Jahre lang vertraut hätten.

Von Jürgen Lütz zur Auswahl des Materials befragt, erklärte sie, dass ungefähr 180 Stunden vorhanden seien und das „Puzzeln“ schon beim Dreh begonnen habe; alles wurde direkt vorsortiert und beim Schnitt noch weiter sortiert und in einem schmerzvollen Prozess auch aussortiert. „Wenn man beim Schnitt irgendwann die Geschichte findet, dann muss man [manches] leider auch verabschieden.“ Alles nicht verwendete Material sei aber irgendwie doch drin und habe sie mit beeinflusst.


Seine Shopping-Mall-Pläne waren für manche Ehrenfelder „nicht der Hit“: Paul Bauwens-Adenauer

Eine ganz besondere Überraschung war, dass neben Ditges‘ Team so gut wie alle Protagonisten auf die Bühne kamen und, nachdem sie Applaus erhalten hatten, für Fragen zur Verfügung standen. So beantwortete Anne Luise Müller vom Stadtplanungsamt die Frage nach dem aktuellen Stand. Man sei dabei, Vorlagen für Bezirksvertretung und Rat zu verfassen, „und inzwischen ist auch das Grundstück von der Stadt für den Schulbau erworben worden.“ Dafür werde ein Wettbewerb vorbereitet, und weiterhin werde auch das Beteiligungsverfahren der Bürger berücksichtigt. Auch zum Rochusplatz nahm sie auf Anfrage eines Zuschauers Stellung: Man werde nun so weiter verfahren, „dass die Straßenpassierung dort ermöglicht werden muss, dass nichts dort realisiert wird, was die Zukunft verbaut. Gleichwohl werden wir jetzt das Verfahren für den Bebauungsplan auf der beschlossenen Grundlage weitermachen und ein Wettbewerbsverfahren anschließen für die Gestaltung der Hochbaumaßnahme, des Wohnens mit Einzelhandel und mit kleinen Ladengeschäften und öffentlichen Nutzungen.“ Sie sagte auch, dass der Film ein mögliches „Modell“ zeige, es aber andere derzeit laufende bürgernahe Verfahren gebe, zum Beispiel für das Großmarktgelände, mit externen Büros und Dialogen mit den Bürgern.

Auf die Frage, wie es für die Alteingesessenen auf dem Helios-Gelände aussehe, antwortete Ditges, dass eine Umgestaltung leider unausweichlich sei, sie aber das tragische Moment in dem Film mit einfangen wollte. Bezirksbürgermeister Wirges griff den Parma Delikatessen-Fachhandel heraus: „Dieses Geschäft steht auf Altlasten. Das ist bekannt, das muss saniert werden. Ich habe mehrmals versucht, mich da einzubringen, einen geeigneten Standort im Stadtteil Ehrenfeld für den Geschäftsinhaber und seine Angestellten zu finden.“ Ziel sei es immer, eine Verlagerung in die unmittelbare Umgebung zu ermöglichen, aber der Besitzer habe in diesem Fall mit Hilfe des Amtes für Wirtschaftsförderung etwas Geeignetes nur außerhalb des Stadtbezirks gefunden. Herr Bauwens-Adenauer stellte fest, dass mit dem Helios-Gelände ein als Kernstück von Ehrenfeld empfundenes Gelände „irgendwie brachliegt“ und in der Veränderung für manche also auch Chancen stecken würden. Die Geschäfte „wussten seit Jahren – deswegen war die Miete auch immer ganz ganz niedrig – dass sie den Standort verlassen müssen.“

Im Kinofoyer konnte anschließend weiter mit den Beteiligten diskutiert und gefeiert werden. Der Film läuft ab dem 19.2. regulär im Cinenova. Das Odeon zeigt den Film am Sonntag, den 22.2. gegen 12 Uhr.

Die nächste offene Veranstaltung der Bürgerinitiative Helios findet am 18.4. im Atelier Colonia, Körnerstr. 37 statt. Themen sind u.a. Schulmensa/Restaurant, Kunst/Kultur, Handelsflächen, Grünflächen und Verkehr.

Text/Fotos: Jan Schliecker

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