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Aus dem Labyrinth des Unterbewusstseins

25. Juni 2015

Zum 100. Geburtstag: Bernard Schultze im Museum Ludwig – kunst & gut 07/15

Die Bilder und Plastiken von Bernard Schultze sind abstrakt, gegenstandsfrei, an ihren Farben und Farbformen kann man sich nicht sattsehen und doch bleiben sie mysteriös, lassen sich nicht ganz entschlüsseln. Andererseits verfügen sie über figurative oder naturhafte Anklänge. Das Dickicht des Waldes und die Struktur von Grotten und Korallenriffs kommen einem in den Sinn, und das Gewimmel der Wucherungen lässt sich in seiner assoziativen Kraft dem Surrealismus zuordnen. Allem aber liegt das Unbewusste zugrunde. Psychische Zustände sind in den Bildern unmittelbar festgehalten: Damit schloss Schultze an die abstrakt-expressive Malerei der 40er und 50er Jahre in Paris an.

Die Gleichzeitigkeit derartiger Ansätze spielt in der Ausstellung, die das Museum Ludwig ihm derzeit zum 100. Geburtstag ausrichtet, eine wichtige Rolle. Neben den Gemälden, auf denen sich die Farbe lichtdurchflutet und transparent ausbreitet, zeigt sie besonders die s/w-Zeichnungen, die in ihrer feinen Detailliertheit veristisch und skriptural zugleich wirken. Auch da hält Bernard Schultze den Moment vor der konkreten Gestaltfindung fest: „Bevor die Dinge ihr Antlitz bekamen“, heißt eines seiner Bilder. In der frühen Malerei von Schultze, der schon bald nach seinen Anfängen mit der Frankfurter Gruppe „Quadriga“ in den 50er Jahren zu den wichtigsten Vertretern der informellen Malerei in Deutschland gezählt wurde, äußert sich das Ahnungsvolle und Traumhafte in dunklen Verdichtungen der malerischen Darstellung. Später hellt das Kolorit auf, die Farbflächen verzahnen sich blättrig über einem lichten Grund, zugleich wächst das Bildformat. Nun wirken die Darstellungen bisweilen wie Einsichten in die Natur oder ein barocker Wolkenhimmel.

Schultzes Bilder haben etwas Nahsichtiges. Mitunter wird die Bildfläche von winzigen Adern und tropfenartigen Knäueln durchzogen. Das Bild wirkt als All-Over und zugleich als bedachter Ausschnitt, in dem die Perspektive kippt. Die Farben breiten sich aus und winden sich dann wieder als Fühler und Strudel über die Bildfläche. Tatsächlich hat sich Schultze von verschiedenen Stellen malerisch durch das Bild „gestrickt“, also in der kleinteiligen Erfahrung von diesem gearbeitet. Vor der Enge seines Ateliers an der Riehler Straße hatte er in einem Telefonat vor vielen, vielen Jahren gewarnt. Eberhard Roters hat darüber geschrieben, die „künstlerische Wirkungsstatt gleicht auf den ersten Eindruck hin tatsächlich einer nur ganz leicht und kaum merklich verhexten Wohnstube“. Die Gedrängtheit hing auch damit zusammen, dass in diesem Atelier zugleich seine Frau, die Objektkünstlerin Ursula gearbeitet und Schultze neben der Malerei Plastiken geschaffen hat, die sich mit flirrenden Tentakeln in alle Richtungen ausbreiteten, die „Migofs“. Gebaut aus eingefärbten Papieren über Drahtgeflechten sind sie Wesen und Wurzelwerk zugleich; zwischen fester Form und deren Auflösung wirken sie in ihrer vitalen Nervosität chaotisch und sind nicht zu überschauen. Sie führen ihr eigenes Leben.

Bernard Schultze wurde 1915 in Schneidemühl im heutigen Polen geboren. Er hat in Berlin und Düsseldorf studiert und nach dem Krieg zunächst in Frankfurt gelebt, ehe er 1968 nach Köln gezogen ist. Dort ist er hochgeehrt, mit Ausstellungen auf der ganzen Welt und etlichen Kunstpreisen ausgezeichnet, 2005 gestorben. Ein Teil seines Nachlasses ging in den Bestand des Museum Ludwig über. Hieraus und aus früheren Erwerbungen ist nun die Ausstellung zusammengestellt, die leider zu klein und folglich zu gedrängt ist. Wie wichtig aber Bernard Schultze als Persönlichkeit der jüngsten deutschen Kunstgeschichte ist, wird dann daran deutlich, dass sein Werk derzeit auch im Arp Museum Rolandseck und im Museum Kunstpalast in Düsseldorf gezeigt wird.

„Bernard Schultze. Zum 100. Geburtstag“ | bis 22.11. | Museum Ludwig | www.museum-ludwig.de

THOMAS HIRSCH

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